Mittwoch, 26. Dezember 2012

Zionismus und Faschismus

Wer zuvor behauptet hätte, es habe eine intensive Zusammenarbeit zwischen Zionismus und Faschismus (Nationalsozialismus) gegeben, wäre vor Erscheinen des Buches - „Zionism in the Age of Dictators“ - im Jahre 1983 gesellschaftlich und politisch erledigt gewesen. Bis heute ist dieses Thema in vielen Ländern ein Tabu. Es hat bis 2007 gedauert, bis es von einem mutigen Verlag auf Deutsch publiziert worden ist. Es wird seit seinem Erscheinen von den zionistischen Organisationen, ihren Repräsentanten und Helfershelfern totgeschwiegen. Eine Befruchtung der Debatte über die wirklichen Gründe des Antisemitismus findet nicht statt. 

Wer sich mit den Ideen der zionistischen Bewegung – auch des Revisionismus - vertraut macht, wird etliche Übereinstimmungen zwischen Faschismus und Zionismus erkennen, weil der Zionismus ein ideologisches Produkt des Nationalismus und Kolonialismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts war und folglich herumvagabundierende ideologische Versatzstücke anderer Ideologien adaptiert hat. So schrieb Theodor Herzl in „Der Judenstaat“: „Auch sind die jetzigen Völker nicht geeignet für die unbeschränkte Demokratie und ich glaube, sie werden zukünftig immer weniger dazu geeignet sein (…) Ich glaube nicht an unsere politische Tugend, weil wir nicht anders sind als die anderen modernen Menschen.“ In den 1930er-Jahren wurden die Revisionisten von Vertretern anderer Strömungen im Judentum wegen deren Mussolini-Bewunderung als „jüdische Faschisten“ betitelt.

Herzl war derjenige, der schon sehr früh über die „nützlich Hilfe“ des Antisemitismus für den Zionismus schrieb: „Die Regierungen aller Länder, die vom Antisemitismus geplagt werden, haben ein Interesse daran, uns zu helfen, damit wir die Souveränität erhalten“. Und in seinen Tagebüchern schrieb über den Zionismus: „Die Antisemiten werden unsere verlässlichsten Freunde sein, die antisemitischen Länder unsere Verbündete.“ (Tagebücher, Bd. 1, Jüdischer Verlag, Berlin 1922, S. 93.) Auch zum Antisemitismus äußerte er sich „differenziert“: „In Paris gewann ich ein freieres Verhältnis zum Antisemitismus, den ich historisch zu verstehen und zu entschuldigen anfing.“ (Tagebücher, S. 74.)

Das Ziel der säkularen zionistischen Bewegung war, einen „Judenstaat“ zu schaffen, der als Gleicher unter Gleichen in der Weltstaatengemeinschaft agiert und seinen Staatsbürgern ein gleichberechtigtes Leben wie allen anderen Bürgern ermöglicht. Der Zionismus hat mit der Gründung Israels sein Ziel erreicht. Seinen absoluten Triumph konnte er mit der Unterzeichnung der „Prinzipienerklärung“ vom September 1993 feiern, als die kolonisierten Palästinenser den Staat anerkannten. Jede Art von Vorzugsbehandlung oder Dämonisierung Israels in den internationalen Beziehungen oder der Forderung nach einer „moralischeren“ Haltung seiner Staatsbürger stellt eine Form des Antisemitismus dar. Die Israelis sind genauso gut oder schlecht wie die US-Amerikaner, die Briten, die Palästinenser, die Tongaer oder die Deutschen. 

Der US-Amerikaner Lenni Brenner wurde in eine jüdisch-orthodoxer Familie hineingeboren. Er engagierte sich schon früh für die gesellschaftliche Gleichberechtigung nicht nur der schwarzen US-Bürger in Zusammenarbeit mit Martin Luther King, sondern war auch Mit-Begründer der „National Association for Irish Justice“. Er engagierte sich gegen den Vietnamkrieg und gründete zusammen mit dem legendären „Black-Power“ Aktivisten Kwame Ture das „Komitee gegen Zionismus und Rassismus“.

Der Autor entzaubert eine weitere der zahlreichen zionistischen Geschichtslegenden, dass der Staat Israel das Erbe des Kampfes gegen den Faschismus und Antisemitismus angetreten habe. Im Gegensatz zu Kommunisten, Sozialisten und Christen, haben sich zionistische Repräsentanten nie an vorderster Front im Widerstand gegen die barbarische Ideologie des Faschismus hervorgetan. Im Gegenteil, man ordnete alles dem Ziel der Schaffung eines Staates unter, wobei man bereit war, mit den faschistischen Regimes in Europa zu paktieren. 

In 25 Kapitel erzählt Brenner eine unglaubliche Beziehungsgeschichte, nämlich der zwischen Zionismus und Faschismus. Diese „unheimliche Geschichte“ wurde für die deutsche Ausgabe mit einem Vorwort von Dieter Elken sowie neuen Dokumenten im Angang versehen. Die zionistische Kollaboration mit den Nazis begann bereits einige Monate nach der Machtergreifung. So erklärte die „Zionistische Vereinigung für Deutschland (ZVfD)“ am 21. Juni 1933 u. a. dies: „Der Zionismus glaubt, dass eine Wiedergeburt des Volkslebens wie sie im deutschen Leben durch Bindung an die christlichen und nationalen Werte erfolgt, auch in der jüdischen Volksgruppe vor sich gehen müsse. Auch für Juden müssen Abstammung, Religion, Schicksalsgemeinschaft und Artbewusstsein von entscheidender Bedeutung für seine Lebensgestaltung sein (…) Wir wollen auf dem Boden des neuen Staates, der das Rassenprinzip aufgestellt hat, unsere Gemeinschaft in das Gesamtgefüge so einordnen, dass auch uns, in der zugewiesenen Sphäre, eine fruchtbare Betätigung für das Vaterland möglich ist (…) Boykottpropaganda – wie sie jetzt vielfach gegen Deutschland geführt wird – ist ihrer Natur nach unzionistisch, da der Zionismus nicht bekämpfen, sondern überzeugen und aufbauen will.“

„Mit dieser Erklärung streckte der deutsche Zionismus dem Nationalsozialismus die Hand aus zur Kollaboration und erteilte jedem Gedanken an antifaschistischen Widerstand eine Absage“, so Klaus Polkehn. Von Beginn an mit im Boot waren die „Zionistische Weltbewegung“, vertreten durch Chaim Arlosoroff, und Arthur Ruppin von der „Jewish Agency for Palestine“; beide handelten mit der ZVfD und „jüdisch-palästinensischen Bankenvertretern“ das „Haavara (=Transfer)-Abkommen“ aus. Im Gegensatz zu den Zionisten lehnten alle jüdischen Gruppen in- und außerhalb Deutschland die Nazis als ihre schlimmsten Feinde ab und leisteten Widerstand. 

Mit dem Abschluss des „Transferabkommens“ wurde der internationale Boykott des Nazi-Regimes unterlaufen. Zwischen 1933 bis 1939 flossen 60 Prozent des Kapitals von jüdischen Deutschen durch das Haavara-Abkommen nach Palästina. So könnte man den Nazi-Faschismus als einen „Segen“ für den Zionismus in den 1930er-Jahren bezeichnen. Zwischen 1934 bis 1937 besuchten Nazis auf Einladung der Zionisten Palästina; dazu gehörten u. a. Adolf Eichmann und Herbert Hagen. Der zionistische Gesandte Feivel Polkes zeigte ihnen eine zionistische Kolonie auf dem Berg Carmel in Haifa. Seinen zweiten „unfreiwilligen Besuch“ statte Eichmann 1960 Israel ab, um dort für seine Verbrechen angeklagt und zum Tode verurteilt zu werden. 

Obgleich die Zionisten immer behaupten, ihre Kollaboration mit den Nazis sei strategischer Natur gewesen, um so viele Juden wie nur möglich zu retten, sprechen die Fakten eine differenziertere Sprache. Während der Nazi-Herrschaft wurde mehr britischen oder US-amerikanischen als deutschen Juden die Einreise nach Palästina gestattet. Tatsächlich wurden zwei Drittel der Einwanderungsanträge deutscher Juden von Zionisten abgelehnt. Ein idealer Immigrant musste ein glühender Zionist sein, wovon es in Deutschland nur wenige gab.

Einigen Zionisten wie Georg Kareski, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin zwischen 1928 und 1930, ging die Kollaboration mit den Nazis nicht weit genug. Er pflegte eine intensive und enge Zusammenarbeit mit diesen, gründete die „Staatszionistische Organisation“ und wurde mit Hilfe der Nazis Leiter des „Reichsverbandes jüdischer Kulturbünde“. In einem Interview mit der von Propagandaminister Goebbels herausgegebenen NS-Zeitung „Angriff“, das von der Redaktion mit „Die Nürnberger Gesetze erfüllen auch alte zionistische Forderungen“ betitelt worden war, äußerte sich Kareski zustimmend zu den Nürnberger Gesetzen; seine Meinung entsprach dem zionistischen Mainstream. (354-57) Der Autor überschieb sein Kapitel über Kareski mit „Hitlers zionistischer Quisling (lange) vor Quisling“. 

Brenner macht deutlich, dass der Zionismus seit seiner Entstehung ein Spiegelbild anderer völkischer Strömungen war; mit dem Antisemitismus ging er eine „feindliche Symbiose“ ein. Nur die Gründung eines eigenen „Judenstaates“ könne die Antwort auf den latenten Antisemitismus sein, so ein Dogma des Zionismus. Auch ging es den zionistischen Funktionären nicht primär um die Rettung möglichst vieler von der Vernichtung bedrohter Menschen, sondern um die Auswanderung möglichst vieler deutscher Juden nach Palästina, um dem zionistischen Kolonialprojekt zum Erfolg zu verhelfen, so der Autor. Die „Stern-Bande“ machte doch allen Ernstes 1941 den Nazis ein „Angebot einer aktiven Teilnahme am Kriege an der Seite Deutschlands“. Man sprach von Seiten dieser Revisionisten von einer „Interessengemeinschaft zwischen den Belangen einer Neuordnung Europas nach deutscher Konzeption und den wahren Aspirationen des jüdischen Volkes“.

Dieses Buch hätte die Debatte über Antisemitismus oder dessen angeblich „neue“ Variante in Form der Kritik an Israels Besatzungspolitik befruchten können, wenn die „Experten“ in Sachen Antisemitismus sich mit dessen etwas unbequemen Thesen auseinandergesetzt hätten. Auch für die Bildungsindustrie wäre es einmal eine lohnende Investition gewesen. Hoffentlich findet das Buch eine große LeserInnenschaft.

Erschienen auch hier.