Sonntag, 24. August 2014

Hajo G. Meyer: Zionismus ist die Negation des Judentums

Dr. Hajo G. Meyer (12. August 1924 - 23. August 2014).
Elf Tage nach Vollendung seines 90. Geburtstages ist der deutsch-niederländische Physiker Hajo G. Meyer verstorben. 1938 floh er alleine in die Niederlande, wo er 1943 von den Nazi-Schergen aufgegriffen und ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert worden ist, in dem er neun Monate verbrachte. 

Nach seiner Pensionierung als theoretischer Physiker engagierte er sich in den letzten 20 Jahren für die berechtigten Anliegen der unter israelischer Besatzung dahinvegetierenden Palästinensern. Sein besonderes Augenmerk galt den kontradiktorischen Widersprüchen zwischen Judentum und Zionismus; letzeren hielt er für unethisch und im Widerspruch zu allem stehend, was das Judentum repräsentiert. 

Als Atheist stand Meyer in der soziokulturellen und ethischen Tradition des Judentums. Er wollte absolut nicht durch den zionistischen Staat Israel vertreten werden, wie er gegenüber der Website "Electronic Intifada" betonte. "I don’t wish to be represented by a Zionist state. They have no idea about the Holocaust. They use the Holocaust to implant paranoia in their children." Wie die Mehrzahl der deutschen Juden wurde auch Meyer in der säkularen und humanistischen Tradition des deutschen Judentums erzogen, das in seiner überwiegend Mehrheit dem zionistischen Anliegen ablehnend gegenüberstand. Nicht ohne Grund musste der Gründungskongress der zionistischen Bewegung 1897 in Basel stattfinden. 

Nach Hajo Meyer verhalten sich Zionismus und Judentum wie Feuer und Wasser. "Zionism and Judaism are contrary to each other. Because Judaism is universal and humane, and Zionism is exactly the opposite. It is very narrow, very nationalistic, racist, colonialist, and all this. There is no 'National Judaism'. There is Zionism and there is Judaism, and they are completely different", so in einem Interview mit der Website "Counterpunch".  Der Zionismus habe die Ethik des Judentums für seine politischen Zwecke missbraucht. 

In einem Gespräch mit "Huffington Post" lehnt Meyer  auch das Dogma der "Holocaust-Religion" ab, wie es Elie Wiesel formuliert hat. "In the beginning is Auschwitz," wrote Elie Wiesel. "Nothing should be compared to the Holocaust but everything must be related to it." "This elevation has allowed it to be exploited for political ends. All that was once most valued in a rich and varied Jewish heritage -- the centrality of the ethical tradition, for instance -- disappears beside the Nazi attempt at annihilation. This Holocaust religion translates in the minds of many into the impossibility that Israel can do any wrong." Für Meyer war es niemals zu spät, andere Schlüsse aus Auschwitz zu ziehen, als dies der politische Zionismus getan hat. 

Hajo Meyer hat nicht nur ein Buch über "Das Ende des Judentums" im Melzer Verlag veröffentlicht, sondern auch versucht, eine Begriffsklärung zwischen Judentum, Zionismus, Antizionismus und Antisemitismus herbeizuführen, weil die zionistische Lobby mit aller Macht daran arbeitet, diese Begriffe für ihre politischen Zwecke zu instrumentalisieren. Den Hintergrund dieses Meinungskampfes bildet der Israel-Palästina-Konflikt. Konkret geht es um die Deutungshoheit der Begriffe Judentum, Zionismus, Antizionismus und Antisemitismus. Wo eine klare Trennung geboten erscheint, herrschen ein begriffliches Durcheinander und eine semantische Begriffsverschiebung vor, die aus einem Kritiker des Zionismus und der israelischen Besatzungspolitik umgehend einen „Antisemiten“ macht. Handelt es sich aber um einen Kritiker jüdischen Glaubens, wird dieser als „jüdischer Selbsthasser“ verleumdet. Um eine semantische Begriffsverschiebung handelt es sich, wenn einem Kritiker der zionistischen Ideologie unterstellt wird, dieser meine mit seiner Kritik in Wirklichkeit „die Juden“. 

Dieser Rabulistik der zionistischen Lobby ist Hajo Meyer immer vehement entgegengetreten. Wurde er doch selbst von diesen Funktionären und deren journalistischen Erfüllungsgehilfen als "jüdischer Selbsthasser" diffamiert. Als selbstbewusster und streitbarer Intellektueller ließ er diese Lächerlichkeit jedoch an sich abperlen, ja er empfand diesen grotesken Vorwurf sogar als eine Ehre, in einer Reihe mit Jimmy Carter, Noam Chomsky, Norman Finkelstein oder dem ehemaligen niederländischen Ministerpräsidenten Dries van Agt erwähnt zu werden, wie er in dem Interview mit "Counterpunch" freimütig bekannte. Darüber hinaus konnte er von der zionistischen Lobby nicht erpresst werden, die diese Methode gerne gegenüber Andersdenkenden als Waffe einsetzt. Meyer bedauerte, dass so wenige Israelis gegen ihre rechtsextremistische Regierung demonstrierten.

In einem Gespräch mit dem Chefredakteur von "Der Semit", Abraham Melzer, erklärte dieser anlässlich des Todes von Hajo Meyer: "Vom ersten Augenblick unseres Kennenlernens waren wir ein Herz und eine Seele und unsere politischen Ansichten in Bezug auf den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern deckten sich komplett. Er war in seinem Kampf für Recht und Gerechtigkeit unerbittlich, einseitig und gnadenlos. Er hat nicht das geringste Abweichen von dem Weg der jüdischen Moral und Ethik, so wie er sie gelernt und verinnerlicht hat, geduldet. Er konnte sich mit den Opfern der israelischen Besatzungspolitik identifizieren und die kriminellen Täter verachten und sogar hassen. Er erkannte in den 1980er-Jahren den tiefen, bösen und gnadenlosen Faschismus im Denken Ariel Sharons und anderer israelischer Politiker und hat sich davon immer scharf distanziert. Er wollte unter gar keinen Umständen erlauben, dass diese Faschisten, wie er sie nannte, auch in seinem Namen sprechen. Er wurde deshalb aktiv in den Reihen der "Jüdischen Stimme für gerechten Frieden". Von dem Augenblick an, als er es erkannte, engagierte er sich im Kampf gegen den zionistischen Feind des Judentums. Sein Judentum war das Judentum eines Rabbi Hillel, der gelehrt hat: Tue deinem Nächsten nicht das an, was du nicht willst, dass man es dir antut. Es war das humanistische, aufgeklärte Judentum des jüdischen Bürgertums in Deutschland. 

Vom nationalistischen, nach seinen unerbittlichen Worten, vom kriminellen Judentum erfuhr er erst, als er von den fanatischen Siedlern in Judäa und Samaria und ihrem Hass auf die Palästinenser hörte. Es war ein Hass vermischt mit Verachtung. Er zitierte oft Sharon, der gesagt hat: Wir können uns auf niemanden verlassen, außer auf uns selbst. Er nannte das Paranoia. Israel war für ihn niemals ein jüdischer, sondern immer nur ein zionistischer Staat, und er hat nie vergessen, den Unterschied deutlich zu machen."

Die Stimme von Hajo G. Meyer wird allen fehlen, aber seine Zivilcourage wir Ansporn sein für alle, die sich für die gerechte Sache der Palästinenser gegen die Unterdrückung durch das zionistische Besatzungsregime einsetzen.