Sonntag, 8. Dezember 2013

Die FDP: „Mitfühlender Liberalismus“ oder „Compassionate Conservatism“?

Die Freie Demokratische Partei (FDP) ist auf dem Niveau der "Alternative für Deutschland" (AfD) angekommen. Die Liberalen versuchten sich gerade in Berlin neu zu erfinden. Nach ihrem Rauswurf aus dem Deutschen Bundestag ist guter Rat teuer. Nicht nur neue Gesichter, sondern auch neue Ideen müssen her, um wieder in die Schlagzeilen zu kommen. Aus Mangel an neuen Gesichtern und neuen Ideen wir der ehemalige FDP-Generalsekretär Christian Lindner recycelt. Ihm traut man am ehesten zu, die FDP wieder in den Bundestag zurückzuführen. 

Die FDP, nicht gerade mit politischen Talenten gesegnet, leiste sich, Guido Westerwelle, den erfolgreichsten Parteivorsitzenden aller Zeiten (14, 6 Prozent), bereits im jugendlichen Alter von 50 Jahren abzumeiern und durch einen liebenswürdigen, aber politischen Laiendarsteller zu ersetzen. Bei all diesen politischen Intrigen zog der politisch unsterbliche FDP-Übervater die Strippen im Hintergrund. 

Anstatt nach der Bundestagswahl von 2009 das Finanzministerium für sich zu reklamieren, um den FDP-Wahlslogan von „Mehr Netto vom Brutto“ umzusetzen, reklamierten die Liberalen das Auswärtige Amt für sich. Westerwelle hätte als Finanzminister Statur gewinnen können. Anstatt dessen versuchte er sich als Genscher-Wiedergänger und scheiterte. Wolfgang Gehrhardt, den Westerwelle mit Hilfe des FDP-Altmeisters aus dem Amt gedrängt hatte, wäre der geboren Genscher-Ersatz gewesen. 

Nun soll der 34-jährige Christian Lindner den FDP-Karren aus dem Schlamassel ziehen. Der „neuen“ FDP hat er einen „mitfühlenden Liberalismus“ als Zukunftsprogramm verpasst. Bis er diesen nichtssagenden Begriff seiner potenziellen Wählerschaft vermittelt haben wird, werden dieser „neuen“ FDP die Wähler völlig abhanden gekommen sein. Übrigens, es gab schon einmal einen wesentlich mächtigeren Politiker, der seiner republikanischen Partei einen „compassionate Conservatism“ als Wegzehrung mit auf den Weg ins politische Desaster gegeben hat: George W. Bush. Dieser war wenigstens noch „Oberbefehlshaber“ einer Weltmacht, wohingegen Lindner, der neue FDP-Vorsitzende, einem politischen Abbruchunternehmen vorsitzt. 

Der politische Liberalismus in Deutschland hatte immer klare politische Ziele. Dazu gehörten u. a. die rechtstaatliche, freiheitliche, wirtschafts- und sozialliberale, aber auch die nationalliberale Tradition. Diese ist seit Genschers Zeiten perdu. „Genscherismus“ wurde von politischen Beobachtern immer mit politischer Beliebigkeit und Unverbindlichkeit gleichgesetzt. Genscher war es auch, der Deutschland auf den „Irrweg von Maastricht“ und den Euro geführt hat. Zu Recht fordert der hessische FDP-Vorsitzende Jörg-Uwe Hahn endlich von der „Europa-Romantik eines Hans-Dietrich Genscher“ Abschied zu nehmen. Obwohl Lindner von Genschers Strippenzieherei profitiert hat, muss er ihn endgültig ins FDP-"Mausoleum" bugsieren. 

Genschers politische Fehleinschätzungen sollten von Lindner korrigiert werden, wenn die FDP eine Zukunft haben will. Frank Schäffler, einer der wenigen realistischen Liberalen, bekämpft diesen politischen Irrweg mit guten liberalen, ökonomischen und finanzpolitischen Argumenten, folgerichtig fiel er auch mit Pauken und Trompeten bei der Wahl zum FDP-Präsidium durch. Auch der sächsische FDP-Vorsitzende unterstützt Schäfflers Kurs. Er will deshalb nicht Mitglied in Lindners neuer Mannschaft sein, da er der FDP auf seine Weise in Sachsen das politische Überleben sichern will. Vielleicht besinnt sich die FDP wieder ihrer nationalliberalen Tradition, die durch den ehemaligen Bundesjustizminister und FDP-Vorsitzenden Thomas Dehler politische Statur gewonnen hat. Sie sollte dieses Feld nicht der Alternative für Deutschland (AfD) allein überlassen. 

Lindner hat sich in seiner Rede mit martialischer Rhetorik klar von der AfD distanziert. Man wäre „verrückt“, so Lindner, wenn man der „national-ökonomischen Bauernfängertruppe“ von der AfD „hinterherjagen“ würde. Ginge die FDP auch nur einen Zentimeter in Richtung „Eurohasser“, würde sie nicht nur ihre ökonomische Kompetenz, sondern vor allem ihre „Seele" verlieren. Im „neuen“ FDP-Personaltableau kann von ökonomischer Kompetenz jedoch keine Rede sein. Lindner ist, abgesehen von Wolfgang Kubicki, von politischen Nobodies umzingelt. Beide verstehen von Ökonomie wenig bis nichts; ersterer ist studierter Politikwissenschaftler (M.A.), letztere Jurist. Der einzige mit ökonomischem Sachverstand, Frank Schäffler, wurde dagegen politisch marginalisiert.

Selbst auf dem ureigensten Terrain der FDP, dem Schutz der Privatsphäre des Individuums vor staatlicher Kontrolle und Überwachung, hat die Partei versagt, indem man die Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger gegen die Verharmlosungsversuche der Kanzlerin und ihres Innenministers in punkto Ausspähung durch die US-amerikanische National Security Agency (NSA) hat im Regen stehen lassen. Stattdessen veranstaltete man eine politisch-erbärmliche Bettelaktion um die Zweitstimme.

Natürlich bedarf es in der Bundesrepublik Deutschland einer liberalen Partei, weil es in diesem Land nur noch eine einzige „Sozialdemokratische Partei“ gibt. Jedem politischen Beobachter fällt es schwer, den wirklichen politischen Unterschied zwischen „CDU/CSU/SPD/Die Grünen/Die Linke“ auszumachen. Alle plädieren für mehr Staat, Bevormundung, Regulierung und Betreuung ihrer Untertanen von der Wiege bis zur Bahre. 

Die Zukunft einer liberalen Partei wird sich an der Frage entscheiden, wie man am Preisgünstigsten für die eigene Bevölkerung aus dem Euro-Desaster herauskommt. Dass die FDP mit ihrem politisch ranzigen „Genscherismus“ dazu nichts Sinnvolles beisteuern kann, versteht sich von selbst. Dass sich in der AfD ökonomischer Sachverstand zuhauf versammelt hat, zeigt ein Blick auf das Personaltableau. Wie brisant das Thema „Euro“ wenigstens von der CSU eingeschätzt wird, zeigt die Wahl Peter Gauweilers als einer der Stellvertreter von Horst Seehofer. In diesem Lichte betrachtet, wirkt die politische Rhetorik des „neuen“ FDP-Vorsitzenden von der „national-ökonomischen Bauernfängertruppe“ der AfD geradezu wie das Weltuntergangsgerede einer gerade von den politischen Toten wiedererwachten FDP.