Mittwoch, 30. Oktober 2013

Israelkongress 2013: Don’t connect for tomorrow

Jüdische Deutsche mit einem realistischen Blick auf Israel: Felicia Langer, Abi Melzer, Rolf Verleger und Evelyn Hecht-Galinski.
Zum dritten Mal findet am 10. November ein so genannter Israelkongress statt, erstmalig im Internationalen Kongresszentrum in Berlin. Das Motto „Connecting for tomorrow“ soll das auf diesen Kongressen verbreitete Propaganda-Image Israels im Bewusstsein der deutschen Bevölkerung verankern. Die Organisatoren beklagen, dass es eine Diskrepanz zwischen dem Israelbild der politischen Klasse und dem der Bevölkerung gebe. Gott sei Dank, kann man da nur sagen. Es wäre schlimm, wenn die Masse der Bürger/innen ebenfalls das Cliché von einem „beautiful Israel“ pflegen würde, das aus Desinformation und Manipulation besteht. Mit allen propagandistischen Mitteln soll nun das realistische Israelbild der Menschen in Deutschland dem Propagandaimage der politischen Klasse angepasst werden. 

Wie Umfragen der letzten Jahre bestätigen, sehen zwei Drittel der Deutschen und auch der europäischen Bevölkerung Israel als die größte Bedrohung für den Weltfrieden. Nachdem diese Prozentzahlen auch von einer EU-Umfrage aus dem Jahre 2003 bestätigt worden sind, wurde diese im Giftschrank weggesperrt. Im Gegensatz zur politischen Klasse können die Menschen in Deutschland und in Europa noch gut unterscheiden, wer der Aggressor und wer der Leidtragende im Nahen Osten ist. Der Staat Israel als Kolonial- und Besatzungsmacht ist im 21. Jahrhundert ein Anachronismus. Wie man mit einer Besatzungsmacht ein „wahre Wertegemeinschaft“ eingehen kann, bleibt das Geheimnis der Veranstalter.

Schirmherren und Schirmfrau dieses Kongresses sind der Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, die Verlegerin Friede Springer und Yacov Hadas-Handelsman, Botschafter Israels in Deutschland,. Gesponsert wird dieser Kongress u. a. von der Lotto-Stiftung Berlin Mitte, von der Deutschen Telekom, der Deutschen Bank, dem Wirtschaftsministeriums und der Wirtschaftssenatorin von Berlin. Selbst der abgewählte noch-Wirtschaftsminister Philipp Rösler gibt am 11. November einen Empfang, zu dem die Mitglieder der letzten Wirtschafts-Delegation eingeladen sind, die Israel besucht hatte.

Diese unausgewogene und einseitige Veranstaltung wird sogar von vier parteinahen Stiftungen sowie von der Alexander-von-Humboldt-Stiftung unterstützt. Eine rühmliche Ausnahme bildet die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die für diesen Auftrieb der überwiegend rechtskonservativen Redner ihren guten Namen nicht hergeben wollte. Den Veranstaltern schwebt wohl vor, ein gleiches Polit-Spektakel zu inszenieren wie AIPAC in den USA. Zu deren jährlicher Politshow pilgert fasst die gesamte politische Klasse der USA, einschließlich des Präsidenten. 

An prominenter Stelle der Unterstützer werden auch in diesem Jahr die christlichen Fundamentalisten genannt. Diese Philosemiten werden von Kritikern als verkappte Antisemiten angesehen, so genannte „Wölfe in Schafspelz“, um eine Politphrase Netanyahus zu gebrauchen. Zu ihnen gehört: Internationale Christliche Botschaft Jerusalem (Sponsor); zu den „Freuden“ und „Unterstützern“ gehören: Evangelische Marienschwesternschaft e. V., Internationaler Bibellehrerdienst Deutschland, Christliche Freunde Israels. Wie Rabbiner über diese so genannten „christlichen Freunde Israels“ denken, zeigen folgende Zitate: 

Zur „Judenmission“ dieser „christlichen Freunde Israels“ sagte der Vorsitzende der Rabbinerkonferenz in Deutschland, Henry G. Brandt: Sie sei ein "feindlicher Akt, eine Fortsetzung des Wirkens Hitlers auf anderer Basis". Und Dr. Jürgen Bühlern, der Leiter des Deutschen Zweig der Internationalen Christlichen Botschaft Jerusalem, spricht vom: "zukünftigen messianischen Reiches Israel", das dann wohl das jüdische Reich ablösen soll. Bühlern weiter: "Noch erfreulicher jedoch ist, dass die Zahl der Juden, die an Jesus als Messias glauben, in den vergangenen Jahren stetig zugenommen hat..." 

Und für Rabbiner Chaim Z. Rozwaski sei das „Messianische Judentum“ der Versuch, „das jüdische Volk durch Entstellungen sowohl des Christentums als auch des Judentums zu zerstören“. „Messianisches Judentum“ sei ein „fortdauernder Versuch, Juden durch verführerische Reden und Arglist zu gewinnen, es ist die Fortführung der Shoah mit anderen Mitteln“. Die Kooperation zwischen den antijüdischen christlichen Fundamentalisten und der „Israellobby“ scheint nach dem Motto abzulaufen: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Bemerkenswert ist, dass sich die Deutsch-Israelische Gesellschaft nicht an dieser Propaganda-Show beteiligt; von 51 Arbeitsgemeinschaften nehmen nur drei teil.

Ein breites Bündnis aus der Palästina-Solidarität und des kritischen Judentums haben einen bemerkenswerten Brief an die Vorsitzenden der fünf Stiftungen geschrieben und darauf aufmerksam gemacht, welche dubiosen Veranstalter und Redner sich auf diesem Kongress tummeln. Der Brief schließt mit einem Zitat des südafrikanischen Bischofs Desmond Tutu: In einer Konfliktsituation sei es eine moralische Pflicht, auf die Stimme des Opfers zu hören. „If you are neutral in situations of injustice, you have chosen the side of the oppressor. If an elephant has its foot on the tail of a mouse and you say that you are neutral, the mouse will not appreciate your neutrality”, so Tutu. 

Die Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost (EJJP) hat für den 10. November zu einer Protestveranstaltung vor dem Kongresszentrum aufgerufen. Der Protest richtet sich vor allem gegen die Teilnahme des Jüdischen Nationalfonds (JNF), der an maßgeblicher Stelle an der Kolonisierung Palästinas beteiligt ist. Die Satzung des JNF legt fest, dass er Land nur an Juden verkaufen oder verpachten darf.

Auf diesem Kongress gibt es keine liberale oder kritische Stimme, geschweige denn eine palästinensische. Für solch eine extrem einseitige Veranstaltung dürfte es keinerlei Unterstützung seitens des Staates, staatlich finanzierter Stiftungen oder anderer namhafter Organisationen geben. Solidarität sollte es nur mit den Unterdrückten und nicht mit dem Unterdrücker geben.