Sonntag, 15. September 2013

Das Osloer-Abkommen: die dritte „Katastrophe“ für die Palästinenser

"Friedensprozess" - eine endlose politische Farce?
Ursprünglich wollte ich zum 20. Jahrestag der Unterzeichnung der Verträge von Oslo nichts publizieren, weil dies verlorene Liebesmüh ist. Da es aber immer noch Journalisten und Politiker gibt, die dieser Poliot-Farce etwas Positives abgewinnen können, habe ich versucht, all den politischen Phantasten, die glauben, diese Verträge hätten jemals das Potenzial für einen „Frieden“ im Nahen Osten enthalten, zu zeigen, dass diese Annahme illusorisch ist. Fakt ist: Es finden Geheimverhandlungen zwischen der viertstärksten Atommacht der Welt mit einem kolonisierten und brutal unterdrückten Volk statt, das nur das Völkerrecht auf seiner Seite hat. Allein diese Tatsache bedarf keines weiteren Kommentars, wenn es um ein mögliches Ergebnis geht.

Eingangs sei noch erwähnt, dass sich eine so genannte „Genfer Initiative“, initiiert von Jossi Beilin und Yasser Abed Rabbo, anmaßte, das non plus Ultra eines „Friedensplanes“ vorlegen zu müssen. Diese Polit-Posse wurde von der Schweizerischen Bundesregierung finanziert und in Genf am 1. Dezember 2003 der Öffentlichkeit präsentiert. Abgesehen davon, dass in diesem Dokument alle zentralen Fragen unbeantwortet geblieben sind, hatten diese beiden Ex-Politiker sowie deren Unterstützer die Hybris, zu glauben, dass die damalige Sharon-Regierung auch nur eine Sekunde auf deren Vorschlag verwenden würde; Sharon ignorierte einfach diesen „Plan“. Der gesamte „Friedensprozess“ seit 1993 ist eine Inszenierung für die westliche Öffentlichkeit, damit das israelische Kolonisierungsprojekt der besetzten Gebiete störungsfrei von statten gehen kann.

Die Euphorie, die bei der Unterzeichnung des Oslo-Abkommens auf dem Rasen des Weißen Hauses herrschte, ist endlich nüchternerer Skepsis gewichen. Zur Euphorie bestand aber schon am 13. September 1993 kein Anlass, wenn man die Dokumente gründlich gelesen hätte. Darin war nie von der Gründung eines „Staates Palästina“, von „Souveränität“ des palästinensischen Volkes oder dem „Recht auf Selbstbestimmung“ die Rede. Die Oslo-Verträge waren so konzipiert, dass eine wie auch immer geartete „Palästinensische Autorität“ als „Subunternehmer“ der israelischen Besatzungsmacht in sehr eingeschränkter Art und Weise „eigenständig“ auf einem sehr begrenzten Gebiet (Zone A) „souveräne“ Entscheidungen treffen könnte und ihre eigene Bevölkerung ins Schach halten sollte, wenn diese Israels Sicherheit gefährden würde. 

Dieser „Friedensprozess“ befindet sich seither in einer Endlosschleife; er ist zur Farce verkommen, die zurzeit wieder neu als Drama aufgeführt wird. Unter massivem Druck seitens der USA scheinen die israelische Justizministerin Tzipora „Tzipi“ Livni und der palästinensische Unterhändler Saeb Erekat im Geheimen über die Beilegung des Nahostkonflikts zu verhandeln. Sollten sich die Palästinenser keinem israelischen „Diktat“ unterwerfen wollen, werden diese „Verhandlungen“ scheitern, wie alle anderen zuvor auch. Unter der Olmert-Regierung hatte dieses Duo bereits über Jahre hinweg ergebnislos über den „Frieden“ verhandelt, weil die israelische Seite von den Palästinensern quasi alles wollte. Diese Forderung nach einer totalen Selbstaufgabe wurde von Erekat wie folgt umschrieben: „Das einzige, was ich nicht tun kann, ist zum Zionismus überzutreten.“ („The only thing I cannot do is convert to Zionism.”) Wollen dies Erekat und die “Palästinensische Autorität” vielleicht dieses Mal tun? Auch sollte nicht vergessen werden, das Livni der revisionistischen Tradition des Zionismus entstammt, darüber hinaus ist sie Mitglied einer rechtsnationalistischen Regierung, die allein das Sagen hat. Was immer Livni den Palästinensern in Verhandlungen „zusagen“ würde, sollte von deren Seite nicht zum Nennwert genommen werden.

Durch die Veröffentlichung der „Palestine Papers“ wurde aller Welt die Verweigerungshaltung der israelischen Seite vor Augen geführt. Es sind nicht die Palästinenser (Araber), die keine „Gelegenheit verpassen, um eine Gelegenheit zu verpassen“ (The Arabs never miss an opportunity to miss an opportunity.), wie dies einst Abba Eban ausgedrückt hat, sondern es sind die diversen israelischen Regierung, die jede Chance auf Frieden torpedieren; dies wird im Buch „Israeli Rejectionism“ von Zalman Amit und Daphna Levit eindrucksvoll dokumentiert. Diese Verweigerungshaltung durchzieht wie eine „rote Linie“ die israelische Politik von David Ben-Gurion bis zu Benjamin Netanyahu. 

Der mit den Oslo-Verträgen ausgebrochene „Friedensprozess“ stellt sich für das palästinensische Volk als die dritte „Katastrophe“ in ihrer leidvollen Geschichte heraus. Dieser „Friedensprozess“ hat den Palästinensern nur Nachteile gebracht, jedoch nicht so sehr der politischen Klasse, die finanziell enorm davon profitiert hat, seien es die Abbas-Anhänger oder die von Hamas. Erstere werden vom Westen alimentiert, letztere von einigen arabischen Despoten. Beide politischen Klassen leben wie die Maden im Speck und haben ihre Schäfchen im Trockenen, entweder in Jordanien oder in Katar. Ihr Verhalten ist schamlos, wenn man sich das Elend ihrer Untertanen unter israelischer Besatzung ansieht. Eine Verbesserung ihrer Situation kann nur erreicht werden, wenn das Volk diesen „Repräsentanten“ das Vertrauen entzieht und sie ins Exil nach Jordanien oder Katar schickt. 

Dieser „Friedensprozess“ hat nicht nur zur Verdreifachung der Anzahl der Kolonisatoren (Siedlern) geführt, auch die Zahl der getöteten Palästinenser hat sich in dieser Zeit verdreifacht im Vergleich von 1967 bis 1993. Die besetzten Gebiete wurden unter „Oslo“ mit einem ethnisch-reinen Straßensystem überzogen, das teilweise nur für jüdische Israelis befahrbar ist. Die Zerstörung palästinensischer Häuser hat unvorstellbare Ausmaße erreicht, um die „Judaisierung“ der besetzten Gebiete und Jerusalems voranzutreiben. Israel hat sich durch eine acht Meter hohe Mauer eingefriedet, die weit weiten Stecken aber ein Zaun ist, um sich gegen den „palästinensischen Terror“ zu schützen. Adäquater für den „Friedensprozess“ wäre jedoch, endlich einem unterdrückten und kolonisierten Volk sein Selbstbestimmungsrecht und die Freiheit zu geben.

Der Westen wird sich also noch ein weiteres Jahrhundert mit dem „Friedensprozess“ publizistisch und politisch herumschlagen müssen, bis Israel das gesamte besetzte Palästina vereinnahmt hat. Auf Land- und Straßenkarten hat es dies bereits getan. Da der Westen sich seit der Missachtung des Völkerrechts durch die USA auch nicht mehr um die Missachtung des Völkerrechts durch Israel schert, ist die einzige wirksame demokratische Waffe der Palästinenser wertlos geworden. Sollte sich nichts ändern, dürfte Im nächsten Jahrhundert auf der internationalen Bühne ein Drama mit dem Titel aufgeführt werden: „Es war einmal ein Palästina“! Oder besteht doch noch Hoffnung, welche diejenigen verbreiten, die die Lösung des Nahostkonflikts ein einem demokratischen und säkularen Staat für alle Bürger in Israel und Palästina sehen? Würde in Israel und Palästina dagegen das Völkerrecht umgesetzt werden, entstünde ein tatsächlicher Friedensprozess.