Montag, 20. Mai 2013

"Israel - Monopoly ohne Grenzen"

Als ich von Dr. Viktoria Waltz um ein Vorwort zu dem vorliegenden Buch angefragt worden bin, habe ich nach Lektüre des Manuskripts sofort zugesagt. Die Autorin ist eine ausgewiesene Expertin in Sachen Raumplanung und hat über Jahrzehnte an der Universität Dortmund dieses Fach unterrichtet. Neben ihren zahlreichen Veröffentlichungen zur Raumplanung und deren enormen gesellschaftspolitischen Implikationen in der Bundesrepublik Deutschland ist Viktoria Waltz immer wieder auch ihrem internationalistischen Anspruch gerecht geworden. Seit Beginn ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit galt ihr Interesse Palästina, weil sich dort eine geplante Landnahme durch Kolonisation scheinbar am deutlichsten manifestierte. 

Für die Expertin in Sachen Raumplanung geschieht nichts planlos. Dies trifft auch für das zionistische Kolonisierungsprojekt in Palästina zu. Dass die „Besiedelung“ der Westbank nicht planlos erfolgt ist, hat kein geringerer als der ehemalige israelische Ministerpräsident Ariel Sharon selber bestätigt. Keine Kolonie sei aus einer Laune heraus entstanden, sondern deren Lage sei von Beginn an minutiös geplant gewesen. Genau dies hat Waltz in ihrem Buch beschrieben, für das ich folgendes Vorwort im September 2011 verfasst habe:

„Die Entstehungsgeschichte Israels hat weder etwas mit den biblischen Legenden vom „auserwählten Volk“ noch mit den Versprechen Gottes an Abraham zu tun; dies sind religiöse Legenden, wissenschaftlicher Rationalität nicht zugänglich und bloße Glaubenspostulate. Auch wurde Israel nicht gegründet, weil der deutsche eliminatorische Antisemitismus unter der Nazi-Barbarei ein kolossales Menschheitsverbrechen am europäischen Judentum begangen hat. Viel wichtiger war jedoch die Diplomatie der zionistischen Bewegung, die sich auf dem Ersten Zionistischen Kongress 1897 in Basel eine politische Organisationsform gegeben hat.  

Wer das Buch der ehemaligen wissenschaftlichen Mitarbeiterin am Institut für Raumplanung an der Universität Dortmund, Viktoria Waltz, liest, erlebt eine völlig andere Entstehungsgeschichte des Staates Israel. Ihrer zentralen These folgend, ist das „Projekt Israel“ einem schlichten Planungsprozess geschuldet, der bis heute noch nicht abgeschlossen ist. Er konzentriert sich auf das Land eines anderen Volkes, des palästinensischen, dessen Existenz im Begriff ist, völlig zerstört zu werden. Es geht um die Schaffung eines „reinen jüdischen Staates“, in dem kein Platz für die indigene Bevölkerung ist, weil sie als „fünfte Kolonne“ und als „existentielle Bedrohung“ wahrgenommen wird.

Das „Expropriationswerk“, wie es einst der Gründungsvater des Zionismus, Theodor Herzl, genannt hat, läuft nicht im Geheimen, sondern vor den Augen der Weltöffentlichkeit ab. Jeder sieht es, aber niemand protestiert dagegen, obgleich dieser Vorgang nichts mit Demokratie, Rechtsstaatlichkeit oder Völkerrecht zu tun hat. Der Westen, der immer wieder eine gemeinsame Wertebasis zwischen ihm und Israel betont, sollte einmal hinter die Kulissen dieser rhetorisch-politischen Luftblasen schauen. Sollten es tatsächlich die gemeinsamen Werte sein, welche die westlichen Demokratien mit der selbstdefinierten „einzigen Demokratie des Nahen Ostens“ verbindet, sollte dann der Westen nicht seine Werte überdenken oder gegebenenfalls revidieren?

Die israelisch-politische Elite meint, Israel sei ein „jüdischer und demokratischer“ Staat. Dass dies ein Widerspruch in sich ist, scheint jedem Zoon Politikon evident zu sein. Tatsächlich ist Israel eine „Ethnokratie“ (Felicia Langer), bestenfalls eine „jüdische Demokratie“ oder eine „Demokratie sui generis“. Für alle nicht-jüdischen Staatsbürger gelten nicht die gleichen Rechte, bzw. sie können sie nicht in Anspruch nehmen, weil sie nicht-Juden sind. Hinzu kommt, dass Israel seit 44 Jahren eine brutales Besatzungs- und Unterdrückungssystem über das palästinensische Volk aufrechterhält, das ihnen ihr Land unter fadenscheinigen Rechtskonstruktionen ganz „legal“ unter den Füßen wegzieht; diese „rechtlichen“ Machenschaften sprechen allen westlichen Werten Hohn. In den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten herrscht Besatzungsrecht, aber die in den besetzten Gebieten lebenden jüdischen Kolonisatoren unterliegen „selbstverständlich“ israelischem Recht, obgleich ihr Dasein wider das Völkerrecht ist.

Dies alles hat sich nicht einfach zufällig entwickelt, sondern scheint von Beginn der zionistischen Kolonisierung an geplant gewesen zu sein, wenn man das Buch von Viktoria Waltz gelesen hat. Die Autorin vertritt darin keine gängige Meinung. Sie wird dafür viel Widerspruch ernten. Auch ich könnte viele Einwände formulieren, und ich bin nicht mit allen Formulierungen und Schlussfolgerungen einverstanden. Aber es geht nicht um meine Meinung, sondern um das Recht auf Meinungsfreiheit nach Artikel 5 Grundgesetz generell. Deshalb habe ich mich bereit erklärt, dieses Vorwort zu schreiben, weil ich überzeugt bin, dass jede wohlbegründete wissenschaftliche Meinung legitim ist, obwohl wir in einer Zeit leben, in der Meinungen, die nicht der herrschenden politischen Auffassung entsprechen, der politischen Verleumdung anheimfallen. Bei diesen Verleumdungskampagnen spielt die „Israellobby“ (Mearsheimer/Walt) eine mehr als unrühmliche Rolle. 

In dieser Komposition ist das Buch ein absolutes Novum und ein „eye-opener“ für jeden Nahost-Interessierten. Eine überaus spannende Lektüre." 

Dass mehrere Verlage dieses Manuskript nicht veröffentlichen wollten, wie die Autorin gegenüber „Between the Lines“ bestätigt hat, spricht nicht gerade für die vielgepriesene „Zivilcourage“ in Deutschland. Diese oft eingeforderte politische Haltung scheint in Sachen Protest gegen die „Besatzungspolitik Israels in Palästina“ irgendwie nicht zu greifen. Bedenkt man das geistige Klima in der Bundesrepublik Deutschland, verwundert dies nicht. Wenigstens sollten sich die User, die das Recht auf „freies geistiges Eigentum“ einfordern, ohne irgendetwas dazu beizutragen, diese Lektüre antun, auch wenn sie ihren „Überzeugungen“ widerspricht. Dafür kostet das Buch auch nichts, ist aber trotzdem überaus wertvoll und bewusstseinserweiternd, vorausgesetzt, man verfügt überhaupt noch über ein funktionierendes politisches Bewusstsein.

Durch die Globalisierung des Internets ist den Kontrolleuren der „Bewusstseinsindustrie“ ihre Meinungsführerschaft abhanden gekommen. Sie tun aber wieder alles dafür, dieser Welt ihre politischen Vorstellungen in Form von Verlangsamung des Internets, Löschung von unliebsamen politischen Inhalten und dubiosen politischen Vorgaben aufzuerlegen. Wie schrieb schon vor einigen Jahren ein Journalist: „Das Internet macht doof“. Man hört diese bizarre Message, aber allein es fehlt der Glaube.