Donnerstag, 23. Juni 2011

Zum „Antisemitismus“ in der Partei DIE LINKE: Eine kontroverse Debatte im Deutschen Bundestag

Es war eine der ungewöhnlichsten „Aktuellen Stunden“, die jemals im Deutschen Bundestag stattgefunden haben. Jeder, der sich ein kritisches Bewusstsein bewahrt hat, und ein solches ja durch Bildungseinrichtungen gefördert werden soll, damit jeder Staatsbürger in die Lage versetzt wird, kritisch, mündig und politisch aktiv am Gemeinwesen teilzuhaben und an dessen Gelingen mitarbeiten kann, könnte bei dieser Debatte ins Grübeln kommen, ob er all die Jahre im falschen Film gewesen ist oder ob er in der Schule etwas missverstanden haben könnte. Damit sich jeder Mann und jede Frau einen eigenen Eindruck verschaffen kann, sollte er/sie sich entweder die Debatte zu Gemüte führen oder das Protokoll dieser „Aktuellen Stunde“ nachlesen. Wen all dieses immer noch orientierungslos oder politisch unbefriedigt zurücklässt, der sollte zur Sonderausgabe der Zeitschrift "Der Semit" über diese Debatte greifen, die soeben erschienen ist und hier bestellt werden kann.

Bildnachweis: Sonderausgabe "Der Semit".
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Mittwoch, 22. Juni 2011

„Antisemitismus“ in der Linkspartei?

Auf dem Markt der Möglichkeiten ist eine neue „wissenschaftliche“ Studie gelandet und hat eine unrühmliche Karriere gemacht sowie eine Debatte über „Antisemitismus in der Linkspartei“ im Deutschen Bundestag ausgelöst: Zwei „Wissenschaftler“, Samuel Salzborn und Sebastian Voigt, haben versucht, sich Gedanken über die „Linkspartei zwischen antizionistischem Antisemitismus und dem Streben nach Regierungsfähigkeit“ zu machen.

Dieses Experiment ist diesen „Wissenschaftlern“ gründlich misslungen, wenn man die üblichen wissenschaftlichen Standards an diese „Studie“ anlegen würde. Diese im wissenschaftlichen Gewande drapierte politische Scharlatanerie wurde aber von der Tageszeitung „Frankfurter Rundschau“ ernst genommen, weil es ihr wohl ins politische Konzept passte. Auch die Abgeordneten des Deutschen Bundestages beriefen sich in ihrem „Tribunal“ über die Linkspartei auf diese Studie. Von den Abgeordneten hätte man erwarten können, dass sie den propagandistischen Schwindel durchschauen, was jedoch nicht geschehen ist.

Die Frage nach dem „Cui bono?“ stellt sich schon bei den beiden Autoren. Gehören sie nicht zum Dunstkreis der „Antideutschen“? Wären sie wirklich unabhängige Wissenschaftler, könnte man über ihre These vielleicht noch diskutieren. Aber die politische Ausrichtung der beiden Autoren steht ihrem „wissenschaftlichen“ Ehrgeiz so sehr im Wege, dass ihre Ausführungen nur das bestätigen, was man von Ideologen erwarten kann. Von Wissenschaft keine Spur, dafür aber umso mehr an ideologischem Irrsinn und Obsession. Die einzigen, die sich über diesen politischen Blödsinn freuen können, sind die „Israellobbyisten“. So gab es am 25 .Mai 2011 eine „Aktuelle Stunde“ im Parlament, in der eine ganze Riege von Abgeordneten aufgetreten ist, die ein Tribunal über die Partei Die Linke abgehalten haben. Verwunderlich war nur, dass sich dies die Abgeordneten der Linken zugemutet haben. Sie hätten umgehend gehen sollen, oder besser noch, sie hätten erst gar nicht kommen bzw. Gregor Gysi schicken sollen, der sich dann mit diesen irrsinnigen Vorwürfen hätten auseinandersetzen können. Die Debatte verfolgte ein Ziel; die so genannten „Guten“ in der Linkspartei sollten sich von den „antisemitischen Schmuddelkindern“ trennen. Wer das Protokoll dieser „Aktuellen Stunde“ gelesen hat, reibt sich verwundert die Augen. Die Argumente, die gegen einige Vertreter der Linkspartei vorgetragen worden sind, haben mit Antisemitismus nichts zu tun, sondern stellen nur eine Kritik an einigen Maßnahmen israelischer Regierungspolitik dar.

Da den neuen „wissenschaftlichen Inquisitoren“ die wirklichen Antisemiten abhanden zu kommen scheinen, müssen neue, nämlich Linke kreiert werden. Folglich haben sie die „wissenschaftliche“ Kategorie des „neuen Antisemitismus“ erfunden, und den nennen sie „antizionistischen Antisemitismus“ oder „linken Antisemitismus“, obgleich niemand sagen kann, was dieser ominöse „antizionistische Antisemitismus“ sein soll.

Der Politjargon der Autoren erinnert stark an die „antideutsche“ Terminologie. Samuel Salzborn hat nicht nur für einschlägige Publikationsorgane gearbeitet, sondern auch in linksgestörten Postillen wie „Jungle World“, „Antifaschistische Nachrichten“ oder „konkret“ publiziert. In seiner Habilitationsschrift „Antisemitismus als negative Leitidee der Moderne“ hat er angeblich eine Lücke zwischen theoretischer Aufarbeitung antisemitischer Theorien und empirischer Verifizierung geschlossen. Das theoretische Sample besteht leider nur aus sieben (!) Telefoninterviews, eine grandiose empirische Leistung. Gelobhudelt wurde diese „wissenschaftliche“ Arbeit, man höre und staune, von dem Koautor der vorliegenden „wissenschaftlichen Studie“, Sebastian Voigt, in „der tageszeitung“ vom 8. Mai 2010. Dass diese „empirische“ Überprüfrung einiger desperater wissenschaftlicher Meinungen nicht hinreichend ist, leuchtet selbst wissenschaftlichen Laien ein. Und so etwas darf eine Vertretungsprofessur an der Liebig-Universität in Gießen wahrnehmen. Auch die Bundestagsabgeordneten haben sich mehrmals auf diese „wissenschaftliche“ Studie berufen. Gregor Gysi hat den darin unterstellten Antisemitismus in der Linkspartei als „Blödsinn“ bezeichnet.

Bei Salzborns Koautor, Sebastian Voigt, handelt es sich um ein Gründungsmitglied des „Bundesarbeitskreises BAK Schalom“ in der Linkspartei, der eine Plattform gegen „Antisemitismus, Antizionismus, Antiamerikanismus und regressiven Antikapitalismus“ darstellen soll. Tatsächlich handelt es sich um ein politisches Instrument der Zersetzung und Diffamierung von Mandatsträgern der Linkspartei in Bezug auf deren Kritik an der Kolonisierungs-, Unterdrückungs- und Besatzungspolitik Israels. Die Mitglieder dieses Klübchens machen politischen Radau, denunzieren ehrbare Kritiker und schüchtern die gesamte Partei ein, um letztendlich jede abweichende Meinung, die die israelischen Besatzungspolitik nicht gutheißt, mundtot zu machen. Ein Mosaikstein in dieser Verleumdungskampagne soll auch diese so genannte wissenschaftliche Studie darstellen. Voigt ist darüber hinaus auch noch wissenschaftlicher Mitarbeiter am Simon-Dubnow-Institut der Universität Leipzig und Promotionsstipendiat der Hans-Böckler-Stiftung; zuvor war er Stipendiat der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die der Linkspartei eng verbunden ist, und deren Mitglieder, die ihm ideologisch nicht passen, er jetzt denunziert.

Mit diesem wissenschaftlichen Pamphlet sollen Mitglieder der Linkspartei einer gnadenlosen Hetzjagd ausgesetzt werden. Was bisher den Paus, Ramelows, Liebichs, Kippings u. a. nicht gelungen ist, soll jetzt mit dieser „wissenschaftlichen“ Expertise und mit Hilfe von einigen Bundestagsabgeordneten bewerkstelligt werden. Der renommierte Völkerrechtler Norman Paech wurde solange durch Denunziation und Verleumdung seitens seiner „Parteifreunde/Innen“ auf übelste Art und Weise madig gemacht, dass er sich zurückzog. Die urdeutsche „Blockwart-Mentalität“ feiert auch in der Linkspartei wieder fröhliche Urstände.

In impertinenter Art und Weise behaupten die beiden wissenschaftlichen Ideologen, dass in der Linkspartei „linke Selbstimprägnierungsstrategien darüber hinwegtäuschen“, dass im bundesrepublikanischen Spektrum der Linken „antisemitische Positionen in ihren Reihen toleriert“ würden. Es finde ein „Dämonisierung der Politik Israels“ statt, die sich nicht nur in einer Parteinahme zugunsten der Palästinenser ausrücke, sondern bis hin zu einer „offenen Solidarisierung mit den terroristischen Kräften innerhalb dieses Spektrums“ reichten, und diese Position sei seit Anfang des Jahres 2010 innerhalb der Bundespartei „konsensfähig“ geworden. Für diese ungeheuerlichen Behauptungen bleiben die beiden „Wissenschaftler“ jeglichen Beweis schuldig, geschweige denn, dass sie irgendeinen Beschluss der Linkspartei vorlegen könnten. Als Beispiele dienen die politischen Äußerungen oder politische Aktionen einiger Funktionsträger der Linkspartei. Dass einige Abgeordnete die zionistische Ideologie Israels oder die Regierungspolitik kritisieren, wird ihnen als „antizionistischer Antisemitismus“ ausgelegt. Es scheint, als haben diese beiden Wissenschaftsideologen die Mechanismen einer demokratischen Gesellschaft nicht begriffen, in der es keine Tabus geben darf, insbesondere dann nicht, wenn es um völkerrechtswidriges und menschenverachtendes Regierungshandeln auch der israelischen Regierung geht.

Der Zionismus ist eine Variante des jüdischen Nationalismus. Wie jeder Nationalismus ist er des Teufels und somit mehr als kritikwürdig. Wer die Auswüchse dieses zionistischen Nationalismus erlebt hat und kennt, hält die Kritik am Zionismus von Seiten der Linkspartei für politisch harmlos. Die Behauptung, dass Antizionismus, d. h. die Kritik an dieser nationalistischen Ideologie und Politik, gleichbedeutend mit Antisemitismus sei, verharmlost letzteren. Dass sich Salzborn und Voigt die obskure Arbeitsdefinition der Europäischen Union über Antisemitismus zu Eigen machen, überrascht nicht. Diese denunziatorischen Kriterien wurden auf Druck der „Israellobbyisten“ auf europäischer Ebene durchgesetzt, obgleich sie nicht justiziabel sind, sondern als politische Instrumente zur Diskreditierung von berechtigter Kritik an Israels brutaler Unterdrückungspolitik eines anderen Volkes eingesetzt werden. Keiner der Funktionsträger der Linkspartei hat jemals durch seine Kritik gegen diese überaus fragwürdige Definition verstoßen.

Als jüngster Kampfbegriff der „Israellobbyisten“ hat sich nicht nur in der Linkspartei der Terminus „antizionistischer Antisemitismus“ eingebürgert. Durch diese Politphrase soll jedwede Kritik am Regierungshandeln der rechtszionistisch-nationalistischen israelischen Regierung diskreditiert werden. Die beiden „Wissenschaftler“ wollen durch ihr Pamphlet dazu eine „wissenschaftlich“ begründete Rechtfertigung liefern. Dies ist ihnen aber formvollendet misslungen. Auf diese Scharlatanerie ist bisher nur die „Frankfurter Rundschau“ abgefahren. Sollte die wissenschaftliche Zeitschrift, der dieses Pamphlet zur Publikation vorliegt, dieses veröffentlichen, sollte sie umgehend ihr Erscheinen einstellen. Wer die folgende hanebüchene Behauptung aufstellt, „dass Die Linke auf dem besten Weg ist, eine antisemitische Partei zu werden“, sollte sich nicht nur wissenschaftlich, sondern auch politische ins Aus manövrieret haben. Noch schlimmer kommt es im Resümee: Dort wird behauptet, dass die moderaten Positionen der Linkspartei zum Nahostkonflikt in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werden. Von den Bundestagsabgeordneten der Linkspartei würde ein „antizionistischer Antisemitismus immer offensiver geäußert. Israel wird das Existenzrecht abgestritten und die Politik des jüdischen Staates mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht.“ Für alle diese Unterstellungen werden keine Beweise präsentiert. Mit „Blödsinn“ sind die Aussagen dieses politischen Machwerkes noch nett charakterisiert und sollten von den wenigen seriösen Kritikern israelischer Besatzungspolitik nicht allzu ernst genommen werden. Viel gefährlicher sind die eigenen Parteigenossen/Innen, die aus politischem Opportunismus gegen Andersdenkende in den eigenen Reihen mit den Waffen der Denunziation vorgehen, weil sie über keine Gegenargumente verfügen, genauso wenig wie diese „Wissenschaftler“.

Zuerst erschienen in der Sonderausgabe der Zeitschrift Der Semit (Juni 2011), die sich mit der "Antisemitismusdebatte" in der Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages vom 25. Mai 2011 auseinandersetzt. Diese Debatte zeichnete sich durch eine große Meinungsvielfalt zwischen den Fraktionen aus. Die Sonderausgabe der Zeitschrift kann direkt beim Verlag bestellt werden.

Dienstag, 21. Juni 2011

Die ewige Hauptstadt. Der Kampf um Jerusalem

Die Ansprüche Israels auf Jerusalem als ihre „ewige Hauptstadt des jüdischen Volkes“ scheinen vom Westen Kopfnickend zur Kenntnis genommen worden zu sein. Aber so einfach liegen die israelisch-jüdischen Alleinvertretungsansprüche auf Jerusalem nicht. Neben einem jüdischen gibt es auch ein christliches und vor allem ein islamisches Jerusalem, und dies soll im vorliegenden Beitrag im Zentrum stehen. Das einzige, was man hört, sind die 3000-jährigen so genannten Rechtsansprüche auf diese Stadt, die von den israelischen Offiziellen immer wieder vorgetragen werden und die niemand wagt, in Frage zu stellen. Diese „Rechtsansprüche“ beruhen jedoch auf religiösen Legenden und Mythen und einem angeblichen Geschenk Gottes an Abraham, wohingegen die über 1200-jährige muslimische Herrschaft über diese Stadt historisch eindeutig verbrieft ist.

Die Kontrolle über Jerusalem ist immer eine Quelle des Konfliktes zwischen dem Westen und dem Islam gewesen. Seit 638 muslimische Araber Jerusalem gegen das byzantinische Christentum eroberten, dauerte diese Herrschaft - nur unterbrochen durch die 100-jährige Herrschaft der Kreuzfahrer im 12. Jahrhundert – bis zur Kontrolle der Briten im Jahr 1917, als diese das Gebiet dem Osmanischen Reich entrissen hatten. Der an der Columbia Universität in New York City lehrende palästinensische Wissenschaftler Rashid Khalidi hat diese Periode islamischer Herrschaft über Jerusalem in beeindruckender Weise in einer Rede vor dem UN-Menschrechtsrat dargelegt.

Jerusalem war also unter muslimischer souveräner Herrschaft für mehr als 1 200 Jahre. Die Herrschaft dauerte länger als die jüdische Herrschaft in biblischen Zeiten. Historisch gab es nie einen Konflikt zwischen Islam und dem Judentum über Jerusalem. Das Gegenteil ist der Fall: Unter dem Schutz des Islam, kehrten Juden nach Jerusalem zurück. Der Konflikt zwischen Islam und Judentum begann erst mit der Kolonisierung, insbesondere durch den politischen Zionismus am Ende des 19. Jahrhunderts. Dieses zionistische Kolonialprojekt sollte durch massive Immigration von jüdischer Seite erfolgen in einem Land, dessen damalige Bevölkerung zu 95 Prozent aus arabischen Muslimen und Christen bestand. Durch die massive Unterstützung der britischen Kolonialmacht nach dem Ersten Weltkrieg und noch größerer Hilfe durch die USA nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Israel zu dem, was es heute ist. Seitdem der Richter am Supreme Court der USA, Louis D. Brandeis, den US-Präsidenten Woodrow Wilson von der Unterstützung des zionistischen Projektes überzeugen konnte, warfen auch die USA ihr ganzes politisches Gewicht in die Waagschale. Wenn heute der in Großbritannien lebende berühmte Saxophonist Gilad Atzmon und an ihn anlehnend der israelische Schriftsteller A. B. Yehoshua behaupten, dass der israelischen Kolonisierung ein zentrales Element, nämlich ein Mutterland fehle, so irren sie. Die zionistische Bewegung hatte sogar zwei „Mutterländer“: Großbritannien und die USA. Nur durch diese bedingungslose Unterstützung kann Israel seine absolute Kontrolle und seinen privilegierten Status über das Land und die unterdrückte palästinensische Bevölkerung aufrechterhalten. Die Kontrolle über Jerusalem und die Erklärung als „ewige Hauptstadt des jüdischen Volkes“ wird durch den Islam als die letzte Phase der Eroberung durch die Kreuzfahrer, symbolisiert durch Israel, angesehen. Diese Spaltung wird durch jüdische Extremisten und christliche Fundamentalisten weiter verschärft.

Die Periode der Israeliten oder Hebräer

Die frühsten archäologischen Beweise einer menschlichen Siedlung, was später Jerusalem genannt wird, reichen zurück in die Periode der Herrschaft der Jebusiter von 1800-1000 (B.C. E.=Before the Common Era). Diese Phase wurde abgelöst durch die Eroberung israelischer Stämme unter Führung von König David. (Davids Jerusalem 1010-970). Erst unter seinem Nachfolger, König Salomon, wurde auf dem Berg Moriah ein Tempel errichtet. Damit beginnt die erste Tempel-Periode. Dieser Teil Jerusalems wurde mit einer Mauer umgeben. Diese Periode endete 930. Von 930 bis zur Zerstörung des Tempels im Jahr 586 durch die Babylonier (König Nebukadnezar) kam es zwischen den israelitischen Stämmen zu Kämpfen, weil die zehn nördlichen Stämme eine Verehrung Gottes in Jerusalem ablehnten. Die Babylonier beendeten die längst Periode der Herrschaft der Israeliten (12 Stämme Israels) über Jerusalem. Die herrschenden Mitglieder der Bevölkerung wurde exekutiert, und die Elite nach Babylon deportiert. Die Babylonische Herrschaft wurde durch die Persische Herrschaft (586-400) abgelöst. Die Perser erlaubten die Rückkehr der Elite und den Wiederaufbau des Tempels. Sie gestatteten jedoch nicht, dass die Israeliten oder Hebräer, wie sie jetzt genannt werden, unabhängig über Jerusalem herrschen konnten. Die Perser wurden durch die Griechen abgelöst. In der Zeit von 332 bis 168 kam es zu einem Aufblühen jüdisch-rituellen Lebens und des jüdischen Gesetzes. Unter Antiochos Epiphanes, der aus der Dynastie der Seleukiden stammte, wurden die Stadt und der Tempel zerstört, und die Verehrung der Tora wurde unter Todesstrafe gestellt. Die Makkabäer inszenierten mehrere Aufstände gegen die Griechen und brachten Jerusalem 141 wieder unter jüdische Kontrolle. Die Römische Herrschaft folgte der griechischen und dauert von 63 B. C bis zur muslimischen Invasion im Jahre 638 n. Chr.

Diese Herrschaft lässt sich in zwei Phasen einteilen: Erstens in die Herrschaft von Rom mit der Verehrung der heidnischen Götter bis 313 das römische Reich christlich wurde und Jerusalem von Byzanz (Konstantinopel) aus regiert worden ist. Versuche seitens der jüdischen Bevölkerung, die Herrschaft Roms in Frage zu stellen, wurden brutal niedergeschlagen, und der zweite Tempel wurde im Jahre 70 n. Chr. zerstört. König Hadrian vertrieb zwei Drittel der jüdischen Bevölkerung und machte Jerusalem zu einer römischen Kolonie: und gab ihr den Namen Aeolia Capitolina, fortan hieß das Land Palästina, genannt nach den Philistern. Nach der Hinrichtung von Jesus entstanden erste christliche Gemeinden in Jerusalem. Zentral für die Ausbreitung des Christentums war die Bekehrung Kaiser Konstantins im Jahre 313. In dieser Zeit konnten Juden nur eine Pilgerfahrt im Jahr nach Jerusalem unternehmen, wohingegen christliche Kirchen, Krankhäuser, Hospize und Herbergen in großer Anzahl gebaut worden sind.

Die Muslimische Herrschaft über Jerusalem

638 eroberte der Kalif Umar ibn Khattab Jerusalem. Er schloss mit den Christen ein Abkommen, nach dem nach Zahlung einer Kopfsteuer ihre Besitztümer, Kirchen und persönliches Vermögen unangetastet blieben. Juden wurde die Pilgerfahrt gestattet, aber nach und nach ließen sie sich wieder in Jerusalem nieder.

Die Heiligkeit Jerusalems war für Juden und Christen bereits grundgelegt. Wie Khalidi darlegte, ist für den Islam Jerusalem heilig wegen seiner jüdischen, christlichen und muslimischen Dimension. Für die Muslime war Jerusalem die ursprüngliche Gebetsrichtung „qibla“, bevor es Mekka wurde. Der Koran berichtet von einer nächtlichen Reise Mohammads nach Jerusalem, und nach islamischer Lehre stieg er von dort in den Himmel auf. Diese beiden Reisen wurden zur Quelle der Inspiration unzähliger literarischer und religiöser Werke. Beides wird im Koran berichtet. Es gibt eine besondere Verbindung von Jerusalem zu den fünf täglichen Gebetszeiten im Islam. Erst nach der Himmelfahrt Mohammeds und einem Gespräch zwischen ihm und Moses wurde das fünfmalige Gebiet kanonisiert. Mit der politischen Bedeutung Jerusalems nahm auch dessen religiöse zu. Dies zeigte sich darin, dass die Omayaden-Dynastie in Damaskus zwischen 685 und 709 den Felsendom und die Al-Aqsa-Moschee errichten ließ. Der Felsendom ist das älteste noch ursprünglich erhaltene muslimische Bauwerk. Jerusalem wurde der drittheiligste Ost nach Mekka und Medina.

Der Westen sitzt mit seiner Theorie des „Kampfes der Kulturen“ einem elementaren Irrtum auf, wenn er meint, der Islam liege außerhalb der jüdisch-christlichen Tradition. Dies ist eine absolute Fehlwahrnehmung. Der Islam versteht sich als integraler Bestandteil und als die Kulmination des jüdisch-christlichen Erbes. Zentral im Islam ist Gottes Offenbarung gegenüber der Menschheit. Als Vorläufer dieser Offenbarung gelten die Thora und das Evangelium. Auf 18 jüdische Propheten und Könige wird im Koran Bezug genommen. Islam misst David und Salomon einen höheren Stellenwert zu als das Judentum es tut. Nach jüdischer Lehre sind es sündhafte Monarchen, nach dem Islam sind es sündenlose Propheten. Nach dem Koran ist Abraham ein Muslim, der Erbauer der Kaaba in Mekka, dem zentralen Heiligtum im Islam. Erbaut vom ersten Propheten Adam und von Abraham und seinem Sohn Ismail wieder entdeckt. Gemäß Islam wurde Jesus wegen Gottes Liebe zu den Menschen kurz vor seiner Kreuzigung in den Himmel geholt. Jesus ist lebendig im Himmel und wird auf die Erde zurückkehren, um sein 1000-jähriges Reich zu errichten. Gemäß islamischer Lehre wurde Jesus durch Maria geboren, einer Jungfrau, durch den direkten Eingriff Gottes. Nach dem Islam heilte Jesus die Kranken, erweckte Tote zum Leben, vollbrachte Wunder, die der Koran nicht Mohammad zuspricht. Maria wird im Koran öfter erwähnt als im Neuen Testament. Weder das Christentum noch das Judentum sehen mit dem gleichen inhaltlichen Bezug auf den Islam. Das Judentum teilt nicht den Bezug des Islam zu Maria und Jesus. Im Gegenteil, die Orthodoxie verachtet das Christentum. Tatsächlich ist der Islam die ökumenischste der drei großen Religionen in Bezug auf die beiden anderen. Vieles, was für Judentum und Christentum heilig ist, ist auch im Islam heilig. In den arabischen Ländern wie auch im Iran und der Türkei stehen die Gräber verstorbener Juden und ihrer Propheten unter einer staatlichen Fürsorge und werden von den Muslimen genauso geehrt wie von Juden. Stellvertretend für viele seien hier nur die Gräber von Mordechai HaTzaddik und Königin Esther im Iran erwähnt. Aus der langen Periode der osmanischen Herrschaft in Palästina ist nicht bekannt, dass jüdische Gräber mit Vorsatz zerstört worden wären. Die Heiligkeit Jerusalems drückt sich in Lobpreisungen bis ins 11. Jahrhundert hin aus, was im arabischen als bayt al-maqdis oder als „Haus der Heiligkeit“ bezeichnet wird, davon leitet sich der arabische Name für Jerusalem, al-Quds, ab. Diese enge Verbindung des Islam mit Judentum und Christentum wird im Westen geflissentlich verschwiegen, da man sonst den Islam nicht so freimütig dämonisieren könnte.

Die Herrschaft der Abassiden im Jahr 750 und die Verlegung des Sitzes des Kalifats von Damaskus nach Bagdad führten auch zu einem Niedergang Jerusalems. Bis zum Jahr 985 regelten christliche Feiertage zunehmend auch den Rhythmus der muslimischen Bevölkerung. Die christlichen Pilgerzüge nahmen zu. Im Jahre 1065 kamen 12 000 Pilger in die Stadt. Im 10. und 11. Jahrhundert hat die muslimische Dominanz in Jerusalem stark nachgelassen. 1099 belagerten die Kreuzritter Jerusalem und schlachteten die Bevölkerung ab und vertrieben sie. Zahlreiche neue Kirchen wurden gebaut. Der Felsendom wurde nicht zerstört, sondern 1142 in eine Kirche umgewandelt. In Zuge der Kreuzritter kamen christliche Minderheiten aus Syrien, dem Libanon und aus anderen Teilen des Nahen Ostens, um sich in Jerusalem anzusiedeln. Einen dauerhaft negativen Eindruck, der bis heute nachwirkt, hinterließen die Kreuzritter im Bewusstsein der Muslime. Die Besetzung durch Europäer führte aber auch zu einem stärkeren Interesse der Araber und der Muslime an der Stadt.

1187 eroberte Salah-ed Din (Saladin) Jerusalem von den Kreuzrittern zurück. In dessen Folge wurden große Waqfs – muslimische religiöse Stiftungen – gegründet und weitere Investitionen vorgenommen. Im Laufe des 13. Jahrhunderts nahm das Interesse an der Stadt wieder ab, da sie keinen strategischen oder militärischen Wert besaß. Nach den Mameluken besetzen die Osmanen Jerusalem im Jahr 1517. Unter ihrer 400-jährigen Herrschaft durchlief Jerusalem seine bedeutendste Entwicklung. Aufgrund des Einflusses europäischer Mächte im 19. Jahrhundert nahm die Bedeutung Jerusalems als Verwaltungszentrum immer mehr zu. Das Osmanische Reich machte Jerusalem zur Hauptstadt der Provinz Jerusalem. Die schwindende Macht des Osmanischen Reiches gab den europäischen Mächten größeren Spielraum, ihre Rivalitäten gegeneinander auszuspielen. Der deutsche Historiker Alexander Schölch schrieb, dass die europäischen Mächte nicht auf territoriale Kontrolle aus waren, sondern nur ihren Einfluss mehren wollten, indem sie die Kontrolle über die religiösen Minderheiten beanspruchten. So übernahmen die Briten den Schutz der jüdischen Bevölkerung. Die Franzosen den der Christen. Das Zarenreich kümmerte sich um Teile der Orthodoxie, und das deutsche Kaiserreich übte seinen Einfluss über die zum Protestantismus konvertierten Christen aus. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges war Jerusalem die größte Stadt in Palästina. Mit der Ankunft von General Allenby 1917 waren die demographischen Veränderungen der letzten 50 Jahre bereits sichtbar. Der arabische und muslimische Charakter der Stadt war stark im Schwinden begriffen.

Von der zionistischen Kolonisierung zur Gründung Israels

Man darf den Einfluss des europäischen Kolonialismus auf die aktuellen Probleme im Nahen Osten nicht gering schätzen. Da ist zum einen das Skyes-Picot-Abkommen von 1916, in dem hinter dem Rücken der Araber die Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien ihre europäischen Einflusszonen festlegten, obgleich man den Arabern ein arabisches Großreich versprochen hatte, wenn sie sich mit dem Westen gegen das osmanische Reich verbünden würden. Ein weiteres zentrales Dokument war die Balfour-Erklärung, in der der britische Außenminister Lord Balfour den Zionisten Großbritannien die Schaffung einer jüdischen Heimstätte in Palästina zugesagt hatte.

Mit der zionistischen Kolonisierung nahmen die Spannungen in Palästina zwischen der arabischen Mehrheitsbevölkerung und den Neusiedlern beständig zu. Das Zusammenleben zwischen Juden, Muslimen und Christen verlief bis dahin spannungsfrei. So etwas wie einen Antijudaismus gab es in der muslimischen Welt nicht. Dieser wurde erst vom so genannten christlichen Europa in diese Region transferiert. Mit der Gründung Israels im Mai 1948 und des daraufhin beginnenden Krieges mit fünf arabischen Staaten kam es zu einer Flucht- und Vertreibungswelle von zirka 700 000 palästinensischen Arabern; dieses Ereignis hat sich als Trauma (al-Nakba= Katastrophe) im arabisch-palästinensischen Bewusstsein verankert. Wie der Holocaust (ohne beide Ereignisse auch nur im entferntesten gleichsetzen zu wollen), der vom Dritten Reich ins Werk gesetzte industriell betriebe Massenmord am europäischen Judentum, zum historischen Narrativ der Israelis wurde, so sollte auch al-Nakba für das palästinensische Bewusstsein nicht unterschätzt werden; sie gehört zum kollektiven Gedächtnis der Palästinenser. Beide historischen Narrative müssen bei der Lösung des Konfliktes immer mitbedacht werden.

Obgleich durch den UN-Teilungsplan für Jerusalem ein spezieller Status vorgesehen war, führte der Krieg von 1948 zur Teilung der Stadt in einen jüdischen Westteil und einen arabischen Ostteil, der von Jordanien bis 1967 verwaltet worden ist. Erst durch den Sechstagekrieg vom Juni 1967 wurde die Stadt durch die israelische Besetzung „wieder vereint“. 1980 wurde der Ostteil durch das „Jerusalemgesetz“ annektiert. Diese völkerrechtswidrige Annexion wird aber von der internationalen Staatengemeinschaft nicht anerkannt, was sich darin ausdrückt, dass sich alle Botschaften in Tel Aviv befinden. Seither beruft sich Israel auf 3 000 Jahre alte „biblische“ Rechte und bestreitet das historische Recht der Palästinenser auf den Ostteil. Der langjährige Bürgermeister der Stadt, Teddy Kollek, formulierte es in einem Interview mit Azmi Bishara im Dezember 1995 wie folgt: „Ich glaube, dass die Araber kein Recht auf eine Hauptstadt in Jerusalem haben. Sie hatten über Jahrhunderte nicht dieses Ziel, deshalb haben sie auch heute nicht das Recht dazu. Sie haben das Recht, gleichberechtigt zu sein, ihre heiligen Stätten selbständig zu verwalten; sie haben jedoch nicht das Recht auf eine Hauptstadt in Jerusalem. (...) Ich glaube, in Ramallah haben sie das Recht auf eine Hauptstadt. Warum soll ihre Hauptstadt in Jerusalem sein, das schließlich uns gehört?“ Die Chutzpah Kolleks ist jedoch noch steigerbar, als er weiter behauptet, dass für Muslime, Jerusalem keine „besondere Bedeutung“ habe. „Sie haben das erst jetzt erfunden – heute, gestern vielleicht vorgestern. Niemals aber dachten sie daran, eine Hauptstadt in Jerusalem zu bauen. Dies erstand erst als Reaktion darauf, dass wir es beschlossen hatten. (...) Bei uns gibt es diese Idee aber schon seit 3000 Jahren. Schon seit jeher kamen die Juden hierher. Für die Araber fängt es erst mit Mohammed an. (...) Selbst im Koran wird Jerusalem nicht einmal erwähnt. In der Bibel hingegen taucht der Name einige hundertmal auf. Wie kann man da Vergleiche ziehen? Vergessen wir also diese Vorstellung. Es ist etwas, was feststeht und sich nie ändern wird. Ich kann kein anderes Argument finden. Es handelt sich nicht um Rechte oder um eine moralische Berechtigung.“ Für Kollek handelte es sich um einen „neu erfundenen Mythos“. Kollek, der immer eine Aura verbreitete, als habe er irgendetwas für die palästinensischen Bewohner Ost-Jerusalems getan, galt gemeinhin als „Baumeister Jerusalems“ und als „liberaler Zionist“.

Die Methoden der zionistisch-israelischen Kolonisierung Palästinas

Die Besiedelung Palästinas durch die Zionisten erfolgte nicht planlos, sondern nach einem „Masterplan“, der von der World Zionist Organisation entworfen worden ist. Von Beginn an gab es Widerstand gegen die Besiedelung Palästinas durch die Gründung jüdischer Kolonien, der bis heute andauert. Die Methoden der Landnahme waren bis zur Staatsgründung der Kauf von Land, das vorwiegend arabischen Großgrundbesitzern gehörte, die es selber nicht nutzen, sondern an palästinensische Bauern verpachtet hatten. Die bewusste Planung der Kolonisierung wurde in einem Buch der ehemaligen Planerin an der Universität Dortmund, Viktoria Waltz, in ihrem Buch „Die Erde habt ihr uns genommen“ 1986 eindrucksvoll dargelegt. Das Buch ist Dank des Internets online lesbar auf „Palästina-Portal“, das von dem Dortmunder Künstler Erhard Arendt betrieben wird.

Mit der Gründung Israels und der Flucht und Vertreibung der einheimischen palästinensischen Bevölkerung übernahmen jüdische Einwanderer und die Überlebenden des Holocaust dasjenige palästinensische Eigentum, das nicht von den zionistischen Armeen im Krieg zerstört worden ist. Das ehemalige palästinensische Land wurde dem Jüdischen Nationalfonds übertragen. Es darf nur an Juden auf zweimal 50 Jahre verpachtet werden. Bevor es in den Besitz eines Juden übergeht. Nicht-Juden können in Israel kein Land erwerben.

Nach der Besetzung von Restpalästina im Junikrieg von 1967 wurde die Kolonisierung der Gebiete und Ost-Jerusalems massiv in Angriff genommen. Nicht planlos, sondern nach Plan, wie es einmal Ariel Sharon ausgedrückt hatte. Land wurde nur noch zu einem winzigen Teil käuflich erworben. Die Regel waren Enteignungen für „militärische Zwecke“ oder aus „Sicherheitsgründen“; politische Zauberformeln, die den „Landraub“ legal erscheinen lassen sollten. Später entstanden darauf israelische Siedlungen. Leben in der Westbank und auf den Golan-Höhen zirka 300 000 Siedler, so sind es in Ost-Jerusalem 200 000. Die „Judaisierung“ der Stadt vollzog sich in einem unvorstellbaren Tempo. Um die Stadt wurde ein Ring von Siedlungen gelegt, und im Zentrum Ost Jerusalems werden nach und nach Grundstück konfisziert und an Israelis übertragen. Häuser von Palästinensern werden in großer Zahl zerstört, weil sie angeblich ohne Baugenehmigung errichtet worden sind, wobei verschwiegen wird, dass die Stadtverwaltung so gut wie keine Genehmigungen an Palästinenser erteilt. Daneben versucht man, den Palästinensern ihre Aufenthaltsrechte mit fragwürdigen Methoden zu entziehen, um sie aus Ost-Jerusalem zu vertreiben. Wider das Völkerrecht hat man eine monströse Mauer in Jerusalem und um andere palästinensische Städte errichtet, um die Menschen in Enklaven zu halten. Die totale Blockade des Gaza-Streifens ist dabei nur das eklatanteste Beispiel von Menschenverachtung. Die besetzten Gebiete sind durch ein System von „Apartheid-Strassen“ durchzogen, auf denen nur Israelis fahren dürfen. Diese über 43-jährige Besetzung palästinensischen Landes widerspricht nicht nur allen Regeln des Völkerrechts, sondern auch den Menschrechten und insbesondere den so genannten westlichen Werten, ja sie stellt eine Verhöhnung eben dieser „Werte“ dar. Da es sich aber zum überwiegenden Teil um Muslime handelt, scheint dies in Ordnung zu gehen, da „der“ Westen angeblich einen Krieg gegen den „islamischen Terrorismus“ oder, wie es US-amerikanische neokonservative Ideologen gerne nennen, gegen den „Islamfaschismus“ führt. Wenn diese Entwicklung so weiter geht, wird der Westen in den Augen der „Verdammten dieser Erde“ den letzten Rest seiner Glaubwürdigkeit verlieren. Dass einige muslimische oder arabische Staaten immer noch dem Neokolonialismus des Westens die Stange halten, scheint alle Vorurteile gegenüber „den Arabern“ zu bestätigen.

Zuerst erschienen in: International, (2011) 2.

Montag, 20. Juni 2011

Bewegung im Nahostkonflikt? Zur Wiederannäherung von Fatah und Hamas

In den Nahen Osten ist wieder Bewegung gekommen. Die revolutionären Veränderungen in der arabischen Welt sind endlich auch in Palästina ankommen. Sie haben nicht nur die politische Lage in Palästina, sondern auch für Israel verändert. Dies konnte man am Nakba-Tag erleben, als sich Tausende von palästinensischen Flüchtlingen über die Grenze auf den Golan-Höhen in ihre Heimat aufmachten. Das israelische Militär reagiert mit brutaler Gewalt und erschoss zirka 20 von ihnen. Aber auch in Washington gab es einigen Wirbel. Ministerpräsident Benjamin Netanyahu stattete dem Land einen Besuch ab und wies US-Präsident Barack Obama wieder einmal in seine Schranken.

Obama hielt am 19. Mai im State Department eine Rede zur US-Nahostpolitik, in der er als Ausgangspunkt von Verhandlungen die Grenzen vor dem Sechstagekrieg vom Juni 1967 vorschlug. Dies hatten zuvor zwar alle US-Präsidenten so formuliert, aber trotzdem verschlug es Netanyahu die Sprache. Das Treffen zwischen beiden fand in eisiger Atmosphäre statt. Netanyahu führte Obama nicht nur öffentlich vor, sondern zeigte ihm bei seiner Rede vor beiden Häusern des US-Kongresses, wer die stärkeren Bataillone hinter sich hat. Die Senatoren und Abgeordnete des Repräsentantenhauses sprangen 55 Mal von ihren Sitzen und spendeten Netanyahu frenetischen Beifall, obgleich Obama vor der Jahrestagung von AIPAC (American Israeli Public Affairs Committee) bereits zurückgerudert war. Zu diesem jährlich stattfindenden Treffen pilgern alle, die Rang und Namen in Washington haben.

Bevor Obama zu einer Europareise aufbrach, ermahnte ihn noch Netanyahu, dass sein Vorgänger, George W. Bush, in einem Brief an Ariel Sharon geschrieben habe, dass es „unrealistisch“ sei, im Rahmen von Verhandlungen von der Waffenstillstandslinie von 1949 als endgültiger Grenze auszugehen. Obama riet aber auch den Palästinensern davon ab, im September von den Vereinten Nationen als Staat erkannt zu werden. Diesen Ratschlag sollten die Palästinenser jedoch nicht befolgen, da von den 200 UN-Mitgliedstaaten zirka 188 einen Staat „Palästina“ anerkennen werden. Außerdem würde damit die andere Hälfte der UN-Teilungsresolution vom 29. November 1947 endlich realisiert werden. Obama verlangte darüber hinaus von den Palästinensern, Israel als „jüdischen Staat“ anzuerkennen. Dabei hätte er doch wissen müssen, das bei der Anerkennung durch US-Präsident Harry S. Truman 1948 dieser justament die Anerkennung eines „Jewish State“ durch die völkerrechtlich korrekte Formulierung „State of Israel“ ersetzt hatte, wie Jeff Gates in seinem Beitrag „The U. S.-Israeli Train Wreck“ zeigt.

Das Dilemma der USA in Bezug auf Israel zeigte sich beim Besuch Netanyahus überdeutlich: Das US-Imperium hat keinerlei Handhabe, um seinen Klientelstaat in seinem nationalen Interesse zu beeinflussen. Seit Dwight D. Eisenhower hat es kein US-Präsident mehr vermocht, sich gegen Israel und seine Lobbygruppen in den USA durchzusetzen. Folglich verpuffte die Rede Obamas in der arabischen Welt. Dort nimmt ihn niemand mehr ernst; seine Meinung ist nicht nur den Menschen, sondern auch den Herrschern gleichgültig. Dafür spricht auch, dass die USA Mubarak und Ben Ali bis zum Schluss unterstützt haben. Obama ist erst auf den Zug aufgesprungen, als bereits alles entschieden war. Die USA haben quasi die arabischen Revolutionen verschlafen, und Israel war sowieso von Anfang an dagegen.

Führten die Proteste in Tunesien und Ägypten noch zum Sturz der Präsidenten, so verteidigen die autokratischen Herrscher im Jemen und Syrien ihre Macht mit brutaler Gewalt. Beide Regime gehen gegen ihre eigene Bevölkerung mit solcher Brutalität vor, dass sie jegliche Legitimität verloren haben. Ganz anders in Libyen: Dort wurde durch einen Beschluss des UN-Sicherheitsrates eine „Flugverbotszone“ zum Schutz der Zivilbevölkerung eingerichtet. Sie diente jedoch dem Westen als Vorwand, gegen Muammar Gaddafi Krieg zu führen, um ihn zu stürzen und Libyen als westlichen Stützpunkt zu erobern, um die Entwicklungen in Ägypten, Tunesien, Algerien und Marokko zu beeinflussen.

Die machtpolitischen und geostrategischen Veränderungen im Nahen Osten bedeuteten für die Palästinenser, die Reihen zu schließen, bevor sich das „window of opportunity“ wieder schließt und es für einen fundamentalen Politikwechsel zu spät ist. Eine der Konfliktparteien hat bereits ihren Protegé verloren, und auch die Herrschaft der Hamas-„Partei“ in Syrien wankt. Nicht bessere Einsicht war also die treibende Kraft bei der „Versöhnung“ zweier kontradiktorischer Politkonzepte, sondern die Macht der Notwendigkeit, bedingt durch die Veränderungen, welche die Revolution in Ägypten und die Aufstände gegen die arabischen Autokraten bewirkt haben.

Ob das Versöhnungsdokument, das nicht nur von Hamas und Fatah, sondern auch von elf weiteren Gruppierungen unterzeichnet worden ist, das Papier wert ist, auf dem es geschrieben worden ist, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Wenn beide Kontrahenten die Sache ernst nehmen, können Verhandlungen im alten Stil mit Israel so nicht weitergeführt werden. Mahmud Abbas und seine Kumpane müssen Abschied von ihrer kollaborationistischen Haltung gegenüber Israel nehmen. Die Veröffentlichungen der „Palestine papers“ haben gezeigt, dass jedwede Verhandlungen mit welcher israelischen Regierung auch immer zu nichts führen, weil das Land zu keinem wirklichen politischen Kompromiss bereit ist, solange die Palästinenser nicht kapitulieren, kollektiv „auswandern“ oder sich zum Zionismus bekehren. Eine Regierung der nationalen Einheit wird wieder deutlicher die legitimen Rechte der kolonisierten Palästinenser betonen müssen, welche Abbas und seine Mannen für ihre Privilegien bereits geopfert haben.

Dass das neue und hoffentlich demokratische Ägypten nicht mehr die schäbige Rolle Mubaraks als Erfüllungsgehilfe Israels und der USA gegen die Palästinenser spielen wird, wurde bereits durch die Grenzöffnung zwischen dem Gaza-Streifens und Ägypten für die in Gefangenschaft lebenden Palästinenser dokumentiert, damit Israels Gefangene endlich Zugang zur Welt erhalten, weil eine ungehinderte Ein- und Ausreise jedem Individuum als Menschenrecht zusteht. Auch wird sich eine zukünftige ägyptische Regierung nicht mehr an der Farce beteiligen, die vom Westen als „Friedensprozess“ bezeichnet wird, und der israelischen Kolonisierung der Westbank tatenlos zusehen. Auch wird sie nicht mehr Israels Rhetorik gegenüber Iran unterstützen. All dies sollte Abbas bedenken, wenn er sich wieder mit Israel in Verhandlungen über einen „Friedensprozess“ einlässt. Aber Abbas ist umringt von Ja-Sagern, sodass kritischer Geist diesem Klüngel wohl tun wird.

Das Geschrei in Israel war groß, und Netanyahu rasselte heftig mit dem Säbel über den Fatah-Hamas-Deal. Die Rhetorik der rechtsnationalistischen Netanyahu-Lieberman-Regierung war vorauszusehen. Man drohte „schwerwiegende Konsequenzen“ an. Einige Extremisten verlangten sogar die sofortige Annexion der Westbank. Von Regierungsseite lamentierte man darüber, dass der „Friedensprozess“ nicht fortgesetzt werden könne, solange Mitglieder einer „Terrororganisation“ einer palästinensischen Regierung angehörten. Plötzlich hat Israel wieder „keinen Partner“, als ob Israel jemals ein Partner in einem ernstzunehmenden Friedensprozess gewesen wäre, wenn man sich die Geschichte seit der Gründung des Staates ansieht. Die erste dieser Strafmaßnahmen war die Sperrung von Überweisung der von Israel einbehaltenen Steuern an Abbas; eine rechtswidrige Maßnahme, wie so vieles völkerrechtswidrig ist, was Israel tut.

Die Spaltung innerhalb des palästinensischen Widerstandslagers lag im Interesse Israels, und man tat alles, um diese aufrechtzuerhalten. Die Drohung mit dem Ende des „Friedensprozesses“ klingt hohl, als ob es jemals einen „Friedensprozess“ gegeben hätte, der diesen Namen verdient. Die altbekannten Propagandafloskeln wurden wieder aus der zionistischen Mottenkiste hervorgekramt und in die Welt hinausposaunt. Damit sollen den Staaten wieder jegliche eigenständige Handlungsoptionen genommen werden, wie weiland beim Wahlsieg der Hamas 2006, als erstmalig in freien, gleichen, geheimen und allgemeinen demokratischen Wahlen in der arabischen Welt eine Regierung aus dem Amt gewählt worden ist. Der damalige „Sündenfall“ des Westens, der wieder gegen seine so genannten Werte handelte, weil Israel es ihm aufgetragen hatte, darf sich dieses Mal nicht wiederholen, weil sich dadurch der Westen zum wiederholten Male jeglicher eigenständiger Politik berauben würde. Die spalterische Politik Israel gegenüber der arabischen und muslimischen Welt wird in Zukunft nicht mehr funktionieren, u. a. auch deshalb, weil Israel mit der Türkei einen wichtigen Verbündeten verloren hat, den es durch seine aggressive Politik, wie z. B. durch die Ermordung von neun türkischen Staatsbürgern bei der völkerrechtswidrigen Kaperung der „Mavi Marmara“ in internationalen Gewässern geschehen, mehrmals vor den Kopf gestoßen hat.

Wo Israel mit seiner schrillen Politrhetorik immer landen kann, sind die USA und in einigen europäischen Staaten. Die meisten der europäischen Regierung sehen das völlig anders, wie z. B. die Rolle der Hamas. Demgegenüber haben die USA das politische Mantra von Hamas als Terrororganisation wiederholt und gefordert, Hamas müsse der Gewalt abschwören, Israels Existenzrecht anerkennen und die ausgehandelten Verträge akzeptieren. Keiner hat jedoch jemals von Israel gefordert, der Gewalt abzuschwören (1 600 Tote im Libanon 2006; 1 400 Tote in Gaza 2008/09 sprechen eine eindeutige Sprache, von den hunderten toten Palästinensern in den Jahren dazwischen gar nicht zu reden), das Existenzrecht des palästinensischen Volkes anzuerkennen und die Oslo-Verträge einzuhalten. Apropos „Existenzrecht Israels“: Hat jemals irgendjemand gefordert, das „Existenzrecht“ Deutschlands, Frankreichs, der USA oder Tongas anzuerkennen? Daran zeigt sich, wie grotesk eine solche politische Forderung ist. Das Völkerrecht kennt nur die staatliche Anerkennung. Außerdem existiert Israel, Punkt! Darüber braucht nicht mehr diskutiert zu werden.

Neben der seit Jahrzehnten bestehenden Obstruktionspolitik der USA und Israels bleiben Fragen in dem „Versöhnungsdokument“ wie der zukünftige Wahlmodus, der Status der PLO, Sicherheitsarrangements, die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit und die Rolle des Legislativrates weitgehend ungeklärt. Israel hält immer noch 13 demokratisch-gewählte Hamas-Mitglieder des „Palästinenserparlament“ grundlos gefangen. Wie soll damit umgegangen werden? Wie das israelische Außenministerium in einer politischen Lageanalyse feststellte, würde eine erfolgreiche Versöhnung den politischen Interessen Israels und der USA in der Region schaden. Die Palästinenser sollte diese „negativen“ Auswirkungen für seinen Besatzer und dessen Klienten, die USA, wenig interessieren, weil deren politisches Interesse nicht dem des palästinensischen Volkes entspricht. Es scheint, als entspreche diese Analyse den extremistischen Ansichten von Außenminister Lieberman.

Ob die Zusammenarbeit zwischen dem israelischen Besatzer und der willfährigen Abbas-Regierung in Sicherheitsfragen nicht primär der Sicherheit der völkerrechtswidrigen Kolonisatoren in der Westbank dient als den Palästinensern, muss von einer Regierung der nationalen Einheit überdacht werden. Hamas hat sich bisher immer geweigert, seine Hand den Besatzern zu reichen, um die eigene Bevölkerung zu drangsalieren und zu unterdrücken. Eine völkerrechtliche Anerkennung Israels, und nur darum kann es gehen, kommt für Hamas nur in Frage, wenn im Gegenzug Israel „Palästina“ als Staat völkerrechtlich anerkennt. Yassir Arafat hatte Israel im Rahmen der Oslo-Vereinbarungen mehrmals anerkannt, Israel im Gegenzug aber immer nur die PLO als Vertreterin des palästinensischen Volkes. Die adäquate Ebene wäre gewesen, wenn Arafat die Arbeitspartei als Vertreterin des israelischen Volkes anerkannt hätte. Hamas kann kein glaubwürdiger Partner in einer Regierung der nationalen Einheit sein, wenn die „Friedensgespräche“ weiterhin von der PNA (Palestinensische Nationale Autorität) in der Person von Abbas und seinen Kumpanen geführt werden. Die Verhandlungen mit Israel sollten nicht mehr von der völlig korrumpierten PNA geführt, sondern müssen durch die PLO geleitet werden, da sie die Vertreterin des gesamten palästinensischen Volkes ist. Die Hamas, die einen großen Teil der Palästinenser vertritt, müsste deshalb zuerst in die PLO aufgenommen werden, und diese müsste sich einer Reform an Haupt und Gliedern unterziehen. Wenn nicht die Farce des „Friedensprozesses“, sondern ein wirklicher Friedensprozess neu beginnen soll, dann muss ein Verhandlungsteam zusammengestellt werden, welches das Vertrauen nicht nur der nationalen Einheitsregierung, sondern aller Palästinenser, auch derjenigen in der Diaspora und der Hamas genießt.

Noch ist für Israel nichts verloren, denn Ministerpräsident Netanyahu hat vor beiden Häusern des US-Kongresses eine Rede gehalten, vor einem Gremium, das zu 95 Prozent unter dem Einfluss der „Israellobby“ steht. Patrick J. Buchanan hat am 25. August 1990 in einer Kolumne geschrieben: „Capitol Hill is Israeli Occupied Territory“. Der „wind of change“ und neues Denken kommen bestimmt nicht aus den USA und schon gar nicht aus Israel, sondern aus den revolutionären Veränderungen in der arabischen Welt, wenn sich diese doch einmal einig wäre. Solange sie geteilt bleibt in moderate, sprich „gute“ Amerikahörige Regierungen, und radikale, sprich „schlechte“ Amerikakritische Regierungen, kann es zu keinen positiven Veränderungen im Israel-Palästina-Konflikt kommen.

Zuerst erschienen in: International, (2011) 2.

Samstag, 18. Juni 2011

Zur Debatte über „Antisemitismus“ in der Linkspartei im Deutschen Bundestag

Am 25. Mai 2011 fand eine „Aktuelle Stunde“ zum angeblichen Antisemitismus in der Partei DIE LINKE im Deutschen Bundestag statt, die von den Fraktionen CDU/CSU und FDP beantragt worden ist. Grundlage für diese Debatte war ein politisches Pamphlet zweier „antideutscher Wissenschaftler“, das von der „Frankfurter Rundschau“ in die Öffentlichkleit lanciert worden ist. In den einzelnen Redebeiträgen traten die großen Meinungsunterschiede der einzelnen Fraktionen zutage.

Die Unterschiede in den Redebeiträgen können hier en Detail nachgelesen werden.

Wer sich aber über die Hintergründe, politischen Motive und wirklichen Absichten dieser Aktuellen Stunde im Deutschen Bundestag zum erfundenen Antisemitismus in der Linkspartei informieren möchte, sollte die Sonderausgabe der Zeitschrift „Der Semit“ zu diesem politischen Highlight beim Melzer Verlag bestellen.

Bildnachweise: Der Semit.

Freitag, 17. Juni 2011

Das „Palästina-Portal“ wird siebzig

Pardon, nicht das Informationsportal über Palästina, sondern dessen verantwortlicher Betreiber und Redakteur, der Dortmunder Künstler Erhard Arendt, feiert heute seinen siebzigsten Geburtstag. Das Palästina-Portal hat gerade sein neunjähriges Bestehen gegen alle Widerstände einer Meute von Denunzianten, Verleumdern und Hetzern überstanden, die es mit allen juristischen Tricks mundtot machen wollen.

Der Künstler ist Sauerländer. Jeder, der diesen Menschschlag kennt, weiß, mit wem man sich da anlegt. Je mehr Druck dieser Menschentypus bekommt, desto renitenter wird er. Dies mussten auch seine „Jäger“ von der „Israellobby“ erfahren. Sie mögen zwar über die „besseren“ Anwälte und über mehr Knete verfügen, aber sie haben sich an Arendt bisher die Zähne ausgebissen. Als Konsequenz kann jeder auf der Website „Palästina-Portal“ ihre unterirdischen Aktionen nachlesen. Die Machenschaften ihres dilettierenden Anführers und seines debilen Anhangs wurden nur noch deutlicher aufgedeckt; hinter der Maske des Biedermanns kam ein kleiner hässlicher Gnom zum Vorschein, dessen Elaborate journalistisch abstoßend sind.

Das „Palästina-Portal“ stellt im deutschsprachigen Raum eine einzigartige Informationsquelle dar. Täglich werden die aktuellen Ereignisse aus Palästina und Israel zusammengestellt, und dies in englischer und deutscher Sprache. Es übertrifft alle anderen Informationsportals bei weitem an Objektivität, insbesondere die der proisraelischen Interessengruppen, aber auch diejenigen im Bildungsbereich angesiedelten. Deren Inhalte sind schlichte Propaganda.

Arendts Leidenschaft für den Nahostkonflikt war ihm nicht in die Wiege gelegt. Sein kritisches politisches Bewusstsein erwarb er sich wie so viele in den 1960er Jahren. Im Gegensatz zu anderen, die eine politische Rolle rückwärts ins politisch-reaktionäre vollzogen haben, ist er seinen Überzeugungen treu geblieben. Seit fast vierzig Jahre arbeitet er als Künstler in den Bereichen Plastik, Grafik, Bildhauerei, Malerei, Lyrik, Licht - und Architekturdesign. Sein Engagement für das geknechtet Volk der Palästinenser, aber auch sein Einsatz für einen gerechten Frieden zwischen Israelis und Palästinensern sind ihm ein Herzensanliegen. Manchmal scheint es, als sei er 25 Stunden täglich im Internet.

Hinter der von Lobbyisten angefeindeten Fassade verbirgt sich ein Humanist und Mensch, der seinen schwerstbehinderten völlig hilflosen Sohn über zwanzig Jahre rund um die Uhr persönlich gepflegt hat; darüber ist schließlich auch seine Ehe zerbrochen. Arendt ist ein Mensch mit tiefen sozialen Überzeugungen und Grundsätzen. Dass diese jetzt der Lösung des Palästina-Problems zugutekommen, kann nur als Glücksfall bezeichnet werden.

Im Namen aller User der Website „Palästina-Portal“ darf ich Erhard Arendt meinen herzlichsten Dank für sein tägliches Engagements und die besten Glückwünsche zum 70. aussprechen. Halten Sie weiterhin die Ohren steif!

Alle relevanten Infos zu Palästina und Israel hier.

Bildnachweis: Webdesigner Jousef Taha.

Dienstag, 14. Juni 2011

Der Kampf um Jerusalem

Die Kontrolle über Jerusalem ist immer eine Quelle des Konfliktes zwischen dem Westen und dem Islam gewesen. Seit 638 muslimische Araber Jerusalem gegen das byzantinische Christentum eroberten, dauerte diese Herrschaft - nur unterbrochen durch die 100-jährige Herrschaft der Kreuzfahrer im 12. Jahrhundert – bis zur Kontrolle der Briten im Jahr 1917, als diese das Gebiet dem Osmanischen Reich entrissen hatten. Der an der Columbia Universität in New York City lehrende palästinensische Wissenschaftler Rashid Khalidi hat diese Periode islamischer Herrschaft über Jerusalem in beeindruckender Weise in einer Rede vor dem UN-Menschrechtsrat dargelegt.

Jerusalem war also unter muslimischer souveräner Herrschaft für mehr als 1 200 Jahre. Die Herrschaft dauerte länger als die jüdische Herrschaft in biblischen Zeiten. Historisch gab es nie einen Konflikt zwischen Islam und dem Judentum über Jerusalem. Das Gegenteil ist der Fall: Unter dem Schutz des Islam, kehrten Juden nach Jerusalem zurück. Der Konflikt zwischen Islam und Judentum begann erst mit der Kolonisierung, insbesondere durch den politischen Zionismus am Ende des 19. Jahrhunderts. Dieses zionistische Kolonialprojekt sollte durch massive Immigration von jüdischer Seite erfolgen in einem Land, dessen damalige Bevölkerung zu 95 Prozent aus arabischen Muslimen und Christen bestand. Durch die massive Unterstützung der britischen Kolonialmacht nach dem Ersten Weltkrieg und noch größerer Hilfe durch die USA nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Israel zu dem, was es heute ist. Seitdem der Richter am Supreme Court der USA, Louis D. Brandeis, den US-Präsidenten Woodrow Wilson von der Unterstützung des zionistischen Projektes überzeugen konnte, warfen auch die USA ihr ganzes politisches Gewicht in die Waagschale. Wenn heute der in Großbritannien lebende berühmte Saxophonist Gilad Atzmon und an ihn anlehnende der israelische Schriftsteller A. B. Yehoshua behaupten, dass der israelischen Kolonisierung ein zentrales Element, nämlich ein Mutterland fehle, so irren sie. Die zionistische Bewegung hatte sogar zwei „Mutterländer“: Großbritannien und die USA. Nur durch diese bedingungslose Unterstützung kann Israel seine absolute Kontrolle und seinen privilegierten Status über das Land und die unterdrückte palästinensische Bevölkerung aufrechterhalten. Die Kontrolle über Jerusalem und die Erklärung als „ewige Hauptstadt des jüdischen Volkes“ wird durch den Islam als die letzte Phase der Eroberung durch die Kreuzfahrer, symbolisiert durch Israel, angesehen. Diese Spaltung wird durch jüdische Extremisten und christliche Fundamentalisten weiter verschärft.

Die Periode der Israeliten oder Hebräer

Die frühsten archäologischen Beweise einer menschlichen Siedlung, was später Jerusalem genannt wird, reichen zurück in die Periode der Herrschaft der Jebusiter von 1800-1000 (B.C. E.=Before the Common Era). Diese Phase wurde abgelöst durch die Eroberung israelischer Stämme unter Führung von König David. (Davids Jerusalem 1010-970). Erst unter seinem Nachfolger, König Salomon, wurde auf dem Berg Moriah ein Tempel errichtet. Damit beginnt die erste Tempel-Periode. Dieser Teil Jerusalems wurde mit einer Mauer umgeben. Diese Periode endete 930. Von 930 bis zur Zerstörung des Tempels im Jahr 586 durch die Babylonier (König Nebukadnezar) kam es zwischen den israelitischen Stämmen zu Kämpfen, weil die zehn nördlichen Stämme eine Verehrung Gottes in Jerusalem ablehnten. Die Babylonier beendeten die längst Periode der Herrschaft der Israeliten (12 Stämme Israels) über Jerusalem. Die herrschenden Mitglieder der Bevölkerung wurde exekutiert, und die Elite nach Babylon deportiert. Die Babylonische Herrschaft wurde durch die Persische Herrschaft (586-400) abgelöst. Die Perser erlaubten die Rückkehr der Elite und den Wiederaufbau des Tempels. Sie gestatteten jedoch nicht, dass die Israeliten oder Hebräer, wie sie jetzt genannt werden, unabhängig über Jerusalem herrschen konnten. Die Perser wurden durch die Griechen abgelöst. In der Zeit von 332 bis 168 kam es zu einem Aufblühen jüdisch-rituellen Lebens und des jüdischen Gesetzes. Unter Antiochos Epiphanes, der aus der Dynastie der Seleukiden stammte, wurden die Stadt und der Tempel zerstört, und die Verehrung der Tora wurde unter Todesstrafe gestellt. Die Makkabäer inszenierten mehrere Aufstände gegen die Griechen und brachten Jerusalem 141 wieder unter jüdische Kontrolle. Die Römische Herrschaft folgte der griechischen und dauert von 63 B. C bis zur muslimischen Invasion im Jahre 638 n. Chr.

Diese Herrschaft lässt sich in zwei Phasen einteilen: Erstens in die Herrschaft von Rom mit der Verehrung der heidnischen Götter bis 313 das römische Reich christlich wurde und Jerusalem von Byzanz (Konstantinopel) aus regiert worden ist. Versuche seitens der jüdischen Bevölkerung, die Herrschaft Roms in Frage zu stellen, wurden brutal niedergeschlagen, und der zweite Tempel wurde im Jahre 70 n. Chr. zerstört. König Hadrian vertrieb zwei Drittel der jüdischen Bevölkerung und machte Jerusalem zu einer römischen Kolonie: und gab ihr den Namen Aeolia Capitolina, fortan hieß das Land Palästina, genannt nach den Philistern. Nach der Hinrichtung von Jesus entstanden erste christliche Gemeinden in Jerusalem. Zentral für die Ausbreitung des Christentums war die Bekehrung Kaiser Konstantins im Jahre 313. In dieser Zeit konnten Juden nur eine Pilgerfahrt im Jahr nach Jerusalem unternehmen, wohingegen christliche Kirchen, Krankhäuser, Hospize und Herbergen in großer Anzahl gebaut worden sind.

Die muslimische Herrschaft über Jerusalem

638 eroberte der Kalif Umar ibn Khattab Jerusalem. Er schloss mit den Christen ein Abkommen, nach dem nach Zahlung einer Kopfsteuer ihre Besitztümer, Kirchen und persönliches Vermögen unangetastet blieben. Juden wurde die Pilgerfahrt gestattet, aber nach und nach ließen sie sich wieder in Jerusalem nieder.

Die Heiligkeit Jerusalems war für Juden und Christen bereits grundgelegt. Wie Khalidi darlegte, ist für den Islam Jerusalem heilig wegen seiner jüdischen, christlichen und muslimischen Dimension. Für die Muslime war Jerusalem die ursprüngliche Gebetsrichtung „qibla“, bevor es Mekka wurde. Der Koran berichtet von einer nächtlichen Reise Mohammads nach Jerusalem, und nach islamischer Lehre stieg er von dort in den Himmel auf. Diese beiden Reisen wurden zur Quelle der Inspiration unzähliger literarischer und religiöser Werke. Beides wird im Koran berichtet. Es gibt eine besondere Verbindung von Jerusalem zu den fünf täglichen Gebetszeiten im Islam. Erst nach der Himmelfahrt Mohammeds und einem Gespräch zwischen ihm und Moses wurde das fünfmalige Gebiet kanonisiert. Mit der politischen Bedeutung Jerusalems nahm auch dessen religiöse zu. Dies zeigte sich darin, dass die Omayaden-Dynastie in Damaskus zwischen 685 und 709 den Felsendom und die Al-Aqsa-Moschee errichten ließ. Der Felsendom ist das älteste noch ursprünglich erhaltene muslimische Bauwerk. Jerusalem wurde der drittheiligste Ost nach Mekka und Medina.

Der Westen sitzt mit seiner Theorie des „Kampfes der Kulturen“ einem elementaren Irrtum auf, wenn er meint, der Islam liege außerhalb der jüdisch-christlichen Tradition. Dies ist ein absolute Fehlwahrnehmung. Der Islam versteht sich als integraler Bestandteil und als die Kulmination des jüdisch-christlichen Erbes. Zentral im Islam ist Gottes Offenbarung gegenüber der Menschheit. Als Vorläufer dieser Offenbarung gelten die Thora und das Evangelium. Auf 18 jüdische Propheten und Könige wird im Koran Bezug genommen. Islam misst David und Salomon einen höheren Stellenwert zu als das Judentum es tut. Nach jüdischer Lehre sind es sündhafte Monarchen, nach dem Islam sind es sündenlose Propheten. Nach dem Koran ist Abraham ein Muslim, der Erbauer der Kaaba in Mekka, dem zentralen Heiligtum im Islam. Erbaut vom ersten Propheten Adam und von Abraham und seinem Sohn Ismail wieder entdeckt. Gemäß Islam wurde Jesus wegen Gottes Liebe zu den Menschen kurz vor seiner Kreuzigung in den Himmel geholt. Jesus ist lebendig im Himmel und wird auf die Erde zurückkehren, um sein 1000-jähriges Reich zu errichten. Gemäß islamischer Lehre wurde Jesus durch Maria geboren, einer Jungfrau, durch den direkten Eingriff Gottes. Nach dem Islam heilte Jesus die Kranken, erweckte Tote zum Leben, vollbrachte Wunder, die der Koran nicht Mohammad zuspricht. Maria wird im Koran öfter erwähnt als im Neuen Testament. Weder das Christentum noch das Judentum sehen mit dem gleichen inhaltlichen Bezug auf den Islam. Das Judentum teilt nicht den Bezug des Islam zu Maria und Jesus. Im Gegenteil, die Orthodoxie verachtet das Christentum. Tatsächlich ist der Islam die ökumenischste der drei großen Religionen in Bezug auf die beiden anderen. Vieles, was für Judentum und Christentum heilig ist, ist auch im Islam heilig. In den arabischen Ländern wie auch im Iran und der Türkei stehen die Gräber verstorbener Juden und ihrer Propheten unter einer staatlichen Fürsorge und werden von den Muslimen genauso geehrt wie von Juden. Stellvertretend für viele seien hier nur die Gräber von Mordechai HaTzaddik und Königin Esther im Iran erwähnt. Aus der langen Periode der osmanischen Herrschaft in Palästina ist nicht bekannt, dass jüdische Gräber mit Vorsatz zerstört worden wären. Die Heiligkeit Jerusalems drückt sich in Lobpreisungen bis ins 11. Jahrhundert hin aus, was im arabischen als bayt al-maqdis oder als „Haus der Heiligkeit“ bezeichnet wird, davon leitet sich der arabische Name für Jerusalem, al-Quds, ab. Diese enge Verbindung des Islam mit Judentum und Christentum wird im Westen geflissentlich verschwiegen, da man sonst den Islam nicht so freimütig dämonisieren könnte.

Die Herrschaft der Abassiden im Jahr 750 und die Verlegung des Sitzes des Kalifats von Damaskus nach Bagdad führten auch zu einem Niedergang Jerusalems. Bis zum Jahr 985 regelten christliche Feiertage zunehmend auch den Rhythmus der muslimischen Bevölkerung. Die christlichen Pilgerzüge nahmen zu. Im Jahre 1065 kamen 12 000 Pilger in die Stadt. Im 10. und 11. Jahrhundert hat die muslimische Dominanz in Jerusalem stark nachgelassen. 1099 belagerten die Kreuzritter Jerusalem und schlachteten die Bevölkerung ab und vertrieben sie. Zahlreiche neue Kirchen wurden gebaut. Der Felsendom wurde nicht zerstört, sondern 1142 in eine Kirche umgewandelt. In Zuge der Kreuzritter kamen christliche Minderheiten aus Syrien, dem Libanon und aus anderen Teilen des Nahen Ostens, um sich in Jerusalem anzusiedeln. Einen dauerhaft negativen Eindruck, der bis heute nachwirkt, hinterließen die Kreuzritter im Bewusstsein der Muslime. Die Besetzung durch Europäer führte aber auch zu einem stärkeren Interesse der Araber und der Muslime an der Stadt.

1187 eroberte Salah-ed Din (Saladin) Jerusalem von den Kreuzrittern zurück. In dessen Folge wurden große Waqfs – muslimische religiöse Stiftungen – gegründet und weitere Investitionen vorgenommen. Im Laufe des 13. Jahrhunderts nahm das Interesse an der Stadt wieder ab, da sie keinen strategischen oder militärischen Wert besaß. Nach den Mameluken besetzen die Osmanen Jerusalem im Jahr 1517. Unter ihrer 400-jährigen Herrschaft durchlief Jerusalem seine bedeutendste Entwicklung. Aufgrund des Einflusses europäischer Mächte im 19. Jahrhundert nahm die Bedeutung Jerusalems als Verwaltungszentrum immer mehr zu. Das Osmanische Reich machte Jerusalem zur Hauptstadt der Provinz Jerusalem. Die schwindende Macht des Osmanischen Reiches gab den europäischen Mächten größeren Spielraum, ihre Rivalitäten gegeneinander auszuspielen. Der deutsche Historiker Alexander Schölch schrieb, dass die europäischen Mächte nicht auf territoriale Kontrolle aus waren, sondern nur ihren Einfluss mehren wollten, indem sie die Kontrolle über die religiösen Minderheiten beanspruchten. So übernahmen die Briten den Schutz der jüdischen Bevölkerung. Die Franzosen den der Christen. Das Zarenreich kümmerte sich um Teile der Orthodoxie, und das deutsche Kaiserreich übte seinen Einfluss über die zum Protestantismus konvertierten Christen aus. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges war Jerusalem die größte Stadt in Palästina. Mit der Ankunft von General Allenby 1917 waren die demographischen Veränderungen der letzten 50 Jahre bereits sichtbar. Der arabische und muslimische Charakter der Stadt war stark im Schwinden begriffen.

Von der zionistischen Kolonisierung zur Gründung Israels

Man darf den Einfluss des europäischen Kolonialismus auf die aktuellen Probleme im Nahen Osten nicht gering schätzen. Da ist zum einen das Skyes-Picot-Abkommen von 1916, in dem hinter dem Rücken der Araber die Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien ihre europäischen Einflusszonen festlegten, obgleich man den Arabern ein arabisches Großreich versprochen hatte, wenn sie sich mit dem Westen gegen das osmanische Reich verbünden würden. Ein weiteres zentrales Dokument war die Balfour-Erklärung, in der der britische Außenminister Lord Balfour den Zionisten Großbritannien die Schaffung einer jüdischen Heimstätte in Palästina zugesagt hatte.

Mit der zionistischen Kolonisierung nahmen die Spannungen in Palästina zwischen der arabischen Mehrheitsbevölkerung und den Neusiedlern beständig zu. Das Zusammenleben zwischen Juden, Muslimen und Christen verlief bis dahin spannungsfrei. So etwas wie einen Antijudaismus gab es in der muslimischen Welt nicht. Dieser wurde erst vom so genannten christlichen Europa in diese Region transferiert. Mit der Gründung Israels im Mai 1948 und des daraufhin beginnenden Krieges mit fünf arabischen Staaten kam es zu einer Flucht- und Vertreibungswelle von zirka 700 000 palästinensischen Arabern; dieses Ereignis hat sich als Trauma (al-Nakba= Katastrophe) im arabisch-palästinensischen Bewusstsein verankert. Wie der Holocaust (ohne beide Ereignisse auch nur im entferntesten gleichsetzen zu wollen), der vom Dritten Reich ins Werk gesetzte industriell betriebe Massenmord am europäischen Judentum, zum historischen Narrativ der Israelis wurde, so sollte auch al-Nakba für das palästinensische Bewusstsein nicht unterschätzt werden; sie gehört zum kollektiven Gedächtnis der Palästinenser. Beide historischen Narrative müssen bei der Lösung des Konfliktes immer mitbedacht werden.

Obgleich durch den UN-Teilungsplan für Jerusalem ein spezieller Status vorgesehen war, führte der Krieg von 1948 zur Teilung der Stadt in einen jüdischen Westteil und einen arabischen Ostteil, der von Jordanien bis 1967 verwaltet worden ist. Erst durch den Sechstagekrieg vom Juni 1967 wurde die Stadt durch die israelische Besetzung „wieder vereint“. 1980 wurde der Ostteil durch das „Jerusalemgesetz“ annektiert. Diese völkerrechtswidrige Annexion wird aber von der internationalen Staatengemeinschaft nicht anerkannt, was sich darin ausdrückt, dass sich alle Botschaften in Tel Aviv befinden. Seither beruft sich Israel auf 3 000 Jahre alte „biblische“ Rechte und bestreitet das historische Recht der Palästinenser auf den Ostteil. Der langjährige Bürgermeister der Stadt, Teddy Kollek, formulierte es in einem Interview mit Azmi Bishara im Dezember 1995 wie folgt: „Ich glaube, dass die Araber kein Recht auf eine Hauptstadt in Jerusalem haben. Sie hatten über Jahrhunderte nicht dieses Ziel, deshalb haben sie auch heute nicht das Recht dazu. Sie haben das Recht, gleichberechtigt zu sein, ihre heiligen Stätten selbständig zu verwalten; sie haben jedoch nicht das Recht auf eine Hauptstadt in Jerusalem. (...) Ich glaube, in Ramallah haben sie das Recht auf eine Hauptstadt. Warum soll ihre Hauptstadt in Jerusalem sein, das schließlich uns gehört?“ Die Chutzpah Kolleks ist jedoch noch steigerbar, als er weiter behauptet, dass für Muslims, Jerusalem keine „besondere Bedeutung“ habe. „Sie haben das erst jetzt erfunden – heute, gestern vielleicht vorgestern. Niemals aber dachten sie daran, eine Hauptstadt in Jerusalem zu bauen. Dies erstand erst als Reaktion darauf, dass wir es beschlossen hatten. (...) Bei uns gibt es diese Idee aber schon seit 3000 Jahren. Schon seit jeher kamen die Juden hierher. Für die Araber fängt es erst mit Mohammed an. (...) Selbst im Koran wird Jerusalem nicht einmal erwähnt. In der Bibel hingegen taucht der Name einige hundertmal auf. Wie kann man da Vergleiche ziehen? Vergessen wir also diese Vorstellung. Es ist etwas, was feststeht und sich nie ändern wird. Ich kann kein anderes Argument finden. Es handelt sich nicht um Rechte oder um eine moralische Berechtigung.“ Für Kollek handelte es sich um einen „neu erfundenen Mythos“. Kollek, der immer eine Aura verbreitete, als habe er irgendetwas für die palästinensischen Bewohner Ost-Jerusalems getan, galt gemeinhin als „Baumeister Jerusalems“ und als „liberaler Zionist“.

Die Methoden der zionistisch-israelischen Kolonisierung Palästinas

Die Besiedelung Palästinas durch die Zionisten erfolgte nicht planlos, sondern nach einem „Materplan“, der von der World Zionist Organisation entworfen worden ist. Von Beginn an gab es Widerstand gegen die Besiedelung Palästinas durch die Gründung jüdischer Kolonien, der bis heute andauert. Die Methoden der Landnahme waren bis zur Staatsgründung der Kauf von Land, das vorwiegend arabischen Großgrundbesitzern gehörte, die es selber nicht nutzen, sondern an palästinensische Bauern verpachtet hatten. Die bewusste Planung der Kolonisierung wurde in einem Buch der ehemaligen Planerin an der Universität Dortmund, Viktoria Waltz, in ihrem Buch „Die Erde habt ihr uns genommen“ 1986 eindrucksvoll dargelegt. Das Buch ist Dank des Internets online lesbar auf „Palästina-Portal“, das von dem Dortmunder Künstler Erhard Arendt betrieben wird.

Mit der Gründung Israels und der Flucht und Vertreibung der einheimischen palästinensischen Bevölkerung übernahmen jüdische Einwanderer und die Überlebenden des Holocaust dasjenige palästinensische Eigentum, das nicht von den zionistischen Armeen im Krieg zerstört worden ist. Das ehemalige palästinensische Land wurde dem Jüdischen Nationalfonds übertragen. Es darf nur an Juden auf zweimal 50 Jahre verpachtet werden. Bevor es in den Besitz eines Juden übergeht. Nicht-Juden können in Israel kein Land erwerben.

Nach der Besetzung von Restpalästina im Junikrieg von 1967 wurde die Kolonisierung der Gebiete und Ost-Jerusalems massiv in Angriff genommen. Nicht planlos, sondern nach Plan, wie es einmal Ariel Sharon ausgedrückt hatte. Land wurde nur noch zu einem winzigen Teil käuflich erworben. Die Regel waren Enteignungen für „militärische Zwecke“ oder aus „Sicherheitsgründen“; politische Zauberformeln, die den „Landraub“ legal erscheinen lassen sollten. Später entstanden darauf israelische Siedlungen. Leben in der Westbank und auf den Golan-Höhen zirka 300 000 Siedler, so sind es in Ost-Jerusalem 200 000. Die „Judaisierung“ der Stadt vollzog sich in einem unvorstellbaren Tempo. Um die Stadt wurde ein Ring von Siedlungen gelegt, und im Zentrum Ost Jerusalems werden nach und nach Grundstück konfisziert und an Israelis übertragen. Häuser von Palästinensern werden in großer Zahl zerstört, weil sie angeblich ohne Baugenehmigung errichtet worden sind, wobei verschwiegen wird, dass die Stadtverwaltung so gut wie keine Genehmigungen an Palästinenser erteilt. Daneben versucht man, den Palästinensern ihre Aufenthaltsrechte mit fragwürdigen Methoden zu entziehen, um sie aus Ost-Jerusalem zu vertreiben. Wider das Völkerrecht hat man eine monströse Mauer in Jerusalem und um andere palästinensische Städte errichtet, um die Menschen in Enklaven zu halten. Die totale Blockade des Gaza-Streifens ist dabei nur das eklatanteste Beispiel von Menschenverachtung. Die besetzten Gebiete sind durch ein System von „Apartheid-Strassen“ durchzogen, auf denen nur Israelis fahren dürfen. Diese über 43-jährige Besetzung palästinensischen Landes widerspricht nicht nur allen Regeln des Völkerrechts, sondern auch den Menschrechten und insbesondere den so genannten westlichen Werten, ja sie stellt eine Verhöhnung eben dieser „Werte“ dar. Da es sich aber zum überwiegenden Teil um Muslime handelt, scheint dies in Ordnung zu gehen, da „der“ Westen angeblich einen Krieg gegen den „islamischen Terrorismus“ oder, wie es US-amerikanische neokonservative Ideologen gerne nennen, gegen den „Islamfaschismus“ führt. Wenn diese Entwicklung so weiter geht, wird der Westen in den Augen der „Verdammten dieser Erde“ den letzten Rest seiner Glaubwürdigkeit verlieren. Dass einige muslimische oder arabische Staaten immer noch dem Neokolonialismus des Westens die Stange halten, scheint alle Vorurteile gegenüber „den Arabern“ zu bestätigen.

Zuerst erschienen in: Der Semit.

Freitag, 10. Juni 2011

Fatah, Hamas und die arabischen Revolutionen

Die Veränderungen in der arabischen Welt sind endlich auch in Palästina ankommen. Sie haben nicht nur die politische Lage in Palästina, sondern auch einiges für Israel verändert. Israels Pharao, Hosni Mubarak, wurde auf Druck des Volkes vom Militär aus dem Verkehr gezogen, und Bashar al-Assad steht in Syrien noch das Schlimmste bevor. Für die Palästinenser bedeutete dies, die Reihen zu schließen, bevor sich das „window of opportunity“ wieder schließt und es für einen fundamentalen Politikwechsel zu spät ist. Eine der Konfliktparteien hat bereits ihren Protegé verloren, und auch die Herrschaft der Hamas-„Partei“ in Syrien wankt. Nicht bessere Einsicht war also die treibende Kraft bei der „Versöhnung“ zweier kontradiktorischer Politkonzepte, sondern die Macht der Notwendigkeit, bedingt durch die geopolitischen Veränderungen, welche die Revolution in Ägypten und die Aufstände gegen die arabischen Autokraten bewirkt haben.

Ob das Versöhnungsdokument, das nicht nur von Hamas und Fatah, sondern auch von elf weiteren Gruppierungen unterzeichnet worden ist, das Papier wert ist, auf dem es geschrieben worden ist, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Wenn beide Kontrahenten die Sache ernst nehmen, können Verhandlungen im alten Stil mit Israel so nicht weitergeführt werden. Mahmud Abbas und seine Kumpane müssen Abschied von ihrer kollaborationistischen Haltung gegenüber Israel nehmen. Die Veröffentlichungen der „Palestine papers“ haben gezeigt, dass jedwede Verhandlungen mit welcher israelischen Regierung auch immer zu nichts führen, weil das Land zu keinem wirklichen politischen Kompromiss bereit ist, solange die Palästinenser nicht kapitulieren und kollektiv „auswandern“ oder sich zum Zionismus bekehren. Eine Regierung der nationalen Einheit wird wieder deutlicher die legitimen Rechte der kolonisierten Palästinenser betonen müssen, welche Abbas und seine Mannen für ihre Privilegien bereits geopfert haben.

Dass das neue und hoffentlich demokratische Ägypten nicht mehr die schäbige Rolle Mubaraks als Erfüllungsgehilfe Israels und der USA gegen die Palästinenser spielen wird, wurde bereits durch die Ankündigung deutlich, die Grenze des Gaza-Streifens zu Ägypten für die in Gefangenschaft lebenden Palästinenser wieder zu öffnen, damit Israels Gefangene endlich Zugang zur Welt erhalten, weil eine ungehinderte Ein- und Ausreise jedem Individuum als Menschenrecht zusteht. Auch wird sich eine zukünftige ägyptische Regierung nicht mehr an der Farce beteiligen, die vom Westen als „Friedensprozess“ bezeichnet wird, und der israelischen Kolonisierung der Westbank tatenlos zusehen. Auch wird sie nicht mehr Israels kriegerische Rhetorik gegenüber Iran unterstützen. All dies sollte Abbas bedenken, wenn er sich wieder mit Israel in Verhandlungen über einen „Friedensprozess“ einlässt. Aber Abbas ist umringt von Ja-Sagern, sodass kritischer Geist diesem Klüngel wohl tun wird.

Dass Geschrei in Israel war groß über den Fatah-Hamas-Deal. Auch die Rhetorik der rechtsnationalistischen Netanyahu-Lieberman-Regierung war vorauszusehen: Der „Friedensprozess“ könne nicht fortgesetzt werden, solange Mitglieder einer „Terrororganisation“ einer Regierung angehörten. Israel hat wieder keinen „keinen Partner“. Israel erließ umgehend Strafmaßnahmen und sperrte die Überweisung der eingehaltenen Steuern an Abbas; eine rechtswidrige Maßnahme, wie so vieles, was Israel tut. Als ob es jemals einen „Friedensprozess“ gegeben hätte, der diesen Namen verdient. Die altbekannten Propagandafloskeln wurden wieder aus der zionistischen Mottenkiste hervorkramt und in die Welt hinausposaunt. Damit sollen den Staaten wieder jegliche eigenständige Handlungsoptionen genommen werden, wie weiland beim Wahlsieg der Hamas 2006, als erstmalig in freien, gleichen, geheimen und allgemeinen demokratischen Wahlen in der arabischen Welt eine Regierung aus dem Amt gewählt worden ist. Der damalige „Sündenfall“ des Westens, der wider gegen seine so genannten Werte handelte, weil Israel es ihm aufgetragen hatte, darf sich dieses Mal nicht wiederholen, weil sich dann der Westen zum wiederholten Male jeglicher eigenständiger Politik berauben würde. Die spalterische Politik Israel gegenüber der arabischen und muslimischen Welt wird in Zukunft nicht mehr funktionieren, u. a. auch deshalb, weil Israel mit der Türkei einen wichtigen Verbündeten verloren hat, den es durch seine aggressive Politik mehrmals vor den Kopf gestoßen hat.

Wo Israel mit seiner schrillen Politrhetorik immer landen kann, sind die USA und Deutschland. Beide haben das politische Mantra von Hamas als Terrororganisation widerholt und gefordert, Hamas müsse der Gewalt abschwören, Israels Existenzrecht anerkennen und die ausgehandelten Verträge akzeptieren. Keiner hat jedoch jemals von Israel gefordert, der Gewalt abzuschwören (1 600 Tote im Libanon 2006; 1 400 Tote in Gaza 2008/09 sprechen eine eindeutige Sprache, von den hunderten toten Palästinensern in den Jahren dazwischen gar nicht zu reden), das Existenzrecht des palästinensischen Volkes anzuerkennen und die Oslo-Verträge einzuhalten. Apropos „Existenzrecht Israels“: Hat jemals irgendjemand gefordert, das „Existenzrecht“ Deutschlands, Frankreichs, der USA oder irgendeines anderen Staates anzuerkennen? Daran zeigt sich, wie grotesk eine solche politische Forderung ist. Das Völkerrecht kennt nur die staatliche Anerkennung. Außerdem existiert Israel, Punkt! Darüber braucht nicht mehr diskutiert zu werden. Hätte die deutsche politische Klasse auch nur die geringste Ahnung, was sich hinter dieser Propagandaformel vom „Existenzrecht“ wirklich verbirgt, könnten sie nicht gedankenlos diesen politischen Unfug nachplappern.

Am 5. Mai war Palästinenserpräsiden Mahmoud Abbas in Berlin, einige Wochen vorher Israels Ministerpräsident Netanyahu. Die Bilder der Begegnungen sprechen Bände: Netanyahu und Merkel schauen sich lächeln wie „Verliebte“ in die Augen; gegenüber Abbas tritt Merkel mit erhobenem Zeigefinger auf, wie gegenüber einem beim Abschreiben ertappten Schulbuben. Dass Merkel ihm dann eine Lektion in israelischer politischer Propaganda erteilte, überrascht keinen. Unter der Merkel/Westerwelle/Rösler-Regierung ist in Bezug auf den Nahen Osten Hopfen und Malz verloren, obwohl Westerwelle manchmal kluge politische Momente hat, wie bei beim Abstimmungsverhalten Deutschlands im UN-Sicherheitsrat, als es um einen Kriegseintritt gegen Libyen ging, der durch eine so genannte Einrichtung einer „Flugverbotszone“ für Zivilisten verbrämt wurde. Heute führt die NATO einen Krieg auf Seiten von „Aufständischen“ gegen eine international anerkannte Regierung.

Neben der seit Jahrzehnten bestehenden Obstruktionspolitik der USA und Israels bleiben die Fragen in dem „Versöhnungsdokument“ wie der zukünftige Wahlmodus, der Status der PLO, Sicherheitsfragen, die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit und die Rolle des Legislativrates weitgehend ungeklärt. Israel hält immer noch 13 demokratisch-gewählte Mitglieder des „Palästinenserparlament“ grundlos gefangen. Wie soll damit umgegangen werden?

Noch ist für Israel nichts verloren, denn Ministerpräsident Netanyahu hat vor beiden Häusern des US-Kongresses eine Rede gehalten, vor einem Gremium, das zu 95 Prozent den Befehlen der „Israellobby“ gehorcht. Der „wind of change“ und neues Denken kommen bestimmt nicht aus den USA, sondern aus den revolutionären Veränderungen in der arabischen Welt, wenn sich diese doch einmal einig wäre. Solange sie geteilt bleibt in moderate, sprich „gute“ Amerikahörige Regierungen, und radikale, sprich „schlechte“ Amerikakritische Regierungen, kann es zu keinen positiven Veränderungen im Israel-Palästina-Konflikt kommen.

Zuerst erschienen in: Der Semit.